Wirklichkeit nicht eine einzige Mine vorhanden war. Warum stellten nun die Ägypter eine derartige Behauptung auf und verschärften damit eine bereits aufs höchste geladene Atmosphäre? Später entdeckte ich den Grund, der heute völlig lächerlich erscheint, aber der doch in gewisser Weise den Umfang der Missverständnisse veranschaulicht. Die Ägypter hofften, durch eine solche Erklärung die israelischen Schiffe erst einmal abschrecken zu können, sich die Passage zu erzwingen, womit sie selber der Notwendigkeit enthoben wären, auf die Schiffe zu schießen. Auf diese Weise hofften sie, den Krieg abzu wenden. Das Ergebnis war natürlich das genaue Gegenteil. Der Gedanke, dass in der Meerenge Minen lägen, gab der ganzen Situation in den Augen der Israelis etwas Unwiderrufliches.

Wer versucht, die Ereignisse von außen her zu betrachten, wird leicht ein Element außer acht lassen, das jedoch die Kriegsflammen am meisten schürte. Im Nahen Osten spielt die Propaganda eine entscheidende Rolle. Millionen von Arabern, die keine Zeitungen lesen können und die sie, auch wenn sie es könnten, nicht lesen würden, verbringen in unzähligen Dorfkaffeehäusern Stunden und Stunden am Radio, rauchen dabei ihre Wasserpfeife und schlürfen ihren starken Kaffee.

Die Israelis glauben der Propaganda, ihrer eigenen ganz bestimmt, aber auch deijenigen der Araber, vor allem, wenn sie bestätigt, was sie selber irgendwie vermuten, nämlich dass die Araber darauf aus sind, sie zu töten. Für die Araber jedoch bedeutet Propaganda etwas völlig anderes. Sie lieben sie, sie beten sie an, aber erwarten von ihr sicherlich nicht eine getreue Wiedergabe von Tatsachen. Die arabische Sprache ist sehr reich und von großer Schönheit, und die Araber lieben sie, wie die Italiener Musik lieben und die Franzosen gutes Essen. Worte, schöne Worte, die aus dem Radio tönen, haben für die meisten Araber etwas Berauschendes und lassen sie eine Wirklichkeit vergessen, die noch weit davon entfernt ist, ihre Wünsche zu befriedigen. Worte werden sehr leicht zum Ersatz für die Wirklichkeit.

So war es ganz natürlich, dass Radio Kairo, das für die arabische Welt in arabischer und für Israel in hebräischer Sprache sendet, seit Beginn der Krise die blutrünstigsten Drohungen und Prophezeiungen

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