hundert Jahre zu spät, um von der großen europäischen Expansionsbewegung zu profitieren, dreißig Jahre zu früh, um schon die Kräfte der drohenden affo-asiatischen Reaktion auf seine Ankunft im arabisch besiedelten Palästina zu erkennen.

Die 200 Zionisten, die sich 1897 in Basel zu dem Ersten Zionistenkongress versammelten, waren sich zutiefst des Umstandes bewusst, an einem einzigartigen historischen Ereignis teilzunehmen. Mit Ausnahme einiger weniger waren diese mehr oder weniger selbsternannten Delegierten des jüdischen Volkes nie in Palästina gewesen, hatten keinerlei Ahnung von dem Land und nahmen wenig Interesse an seinen tatsächlichen Gegebenheiten. Die Wirklichkeit kümmerte sie nicht. Sie wollten eine neue Welt schaffen, eine Welt, von der sie allerdings nur eine unvollkommene Vorstellung hatten. Die einzige Wirklichkeit, die sie kannten, war die Wirklichkeit, der sie entfliehen wollten: Osteuropa mit seinen Pogromen, seiner Diskriminierung, mit den Vorzeichen noch größerer künftiger Katastrophen. Hier liegt der Grund dafür, dass die ersten Zionisten sich nicht weiter mit den tatsächlichen Problemen, die auf sie in Palästina warteten, auseinandersetzten. Sie hatten eine ungefähre Ahnung davon, dass dort einige Leute lebten; sie fühlten vage, dass mit ihnen irgendwann irgendetwas geschehen müsse; aber dies alles erschien völlig unwichtig im Angesicht jenes großen Augenblicks.

Herzl selber besuchte Palästina zum ersten Mal lange Zeit nachdem er den Judenstaat veröffentlicht und den Kongress einberufen hatte. Als er im Herbst 1898 nach Palästina fuhr, war sein Hauptanliegen aber nicht, wie man hätte annehmen können, den Ort kennenzulernen, an dem seine Ideen verwirklicht werden sollten, sondern er wollte den deutschen Kaiser Wilhelm II. in einer angemessenen dramatischen Umgebung treffen. Doch muss er um jene Zeit erkannt haben, dass in seinem großen Plan auch ein Platz für die arabischen Eingeborenen sein müsse. In seinem zweiten Buch, Altneuland, tritt ein arabischer Herr auf, der vollkommen glücklich ist, in einer jüdischen Gemeinschatt zu leben. Er preist die Juden um ihres idealistischen Vorsatzes willen, den Eingeborenen volle Gleichberechtigung zu gewähren, nachdem sie selber so viel in der Fremde gelitten hatten.

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