immer Palästina für jüdische Einwanderer gesperrt hätte. Die zionistisehen Anführer in Europa konnten nicht voraussehen, dass das Osmanische Reich innerhalb weniger Jahre zusammenbrechen und die arabischen Nationen eine Bedeutung erlangen würden, wie sie damals völlig unvorstellbar war. Ja, und sogar, wenn sie dies vorausgeahnt hätten, hätten sie anders handeln können? Hätten sie die noch in ihren ersten Anfängen stehenden jüdischen Siedlungen der vernichtenden Rache der brutalen türkischen Regierung ausliefern und eine mögliche Unterbrechung der jüdischen Einwanderung riskieren können, um eine Beziehung zu den Arabern herzustellen, von der sie nicht wussten, ob sie jemals Früchte tragen würde? Hätten sie, kurz gesagt, den Spatz in der Hand für die Taube auf dem Dach fahrenlassen sollen?

Staatsmänner mit dem politischen Weitblick eines Bismarck oder Lenin hätten vielleicht im Vertrauen auf die Richtigkeit ihrer Intuition oder Urteilsfähigkeit ein solches Vorgehen riskiert. Doch die zionistisehen Führer jener Zeit waren auf solch eine Aufgabe einfach nicht vorbereitet. Sie wählten den einfachsten und naheliegendsten Weg.

Die Araber standen vor einem ähnlichen Dilemma. Sollten sie sich mit allen verfügbaren Mitteln der jüdischen Ansiedlung widersetzen, oder sollten sie versuchen, sich mit den Juden zusammenzusetzen, um deren Unterstützung in ihrem Kampf gegen die Türken zu gewinnen?

Verschiedene arabische Führer befürworteten damals und auch später den letzteren Kurs. Sie versuchten, mit den jüdischen Anführern Kontakt aufzunehmen, um eine Grundlage für eine Zusammenarbeit auszuarbeiten. (Damals betrachtete man eine solche Kontaktaufnahme noch nicht als Verrat an der arabischen Sache.) Einige Monate bevor Nordau 1909 seine Rede an den 9. Zionistenkongress hielt, in der er einen streng pro-türkischen Kurs setzte, hatte der zionistische Delegierte in Konstantinopel eine Reihe von Gesprächen mit den beiden arabischen Abgeordneten aus Jerusalem im neuen türkischen Pariament. Er berichtete dem Präsidenten der Zionistischen Organisation, dass der eine der beiden Abgeordneten die gemeinsamen Interessen von Juden und Arabern stark hervorgehoben hätte, ihren gemeinsa¬

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