Kaiser, eine in ihrer Unzulänglichkeit bemitleidenswerte Gestalt, der sich leicht von fixen Ideen und Modetorheiten einfangen Heß und extravagante Posen liebte, spielte eine Zeitlang mit der Idee, Schutzherr des neuen Tempels und Retter der jüdischen Rasse zu werden; doch war er im tiefsten Innern Antisemit und sah sich als potentielles Schwert des Islams, so dass diese Laune rasch vorüberging.

Verzweifelt wandte sich Herzl an die Briten. Der legendäre Kolonialminister, Joseph Chamberlain, Archetyp des britischen Iinperialisten, schenkte ihm Gehör. Chamberlain scheint mit nahezu unheimlichem Scharfblick erkannt zu haben, auf welche Weise der Zionismus sich als Mittel zur Förderung der britischen Interessen in Ubersee gebrauchen ließ. Herzls Angebot, eine jüdische Ansiedlung im Norden der Sinai-Halbinsel zu gründen, passte in das britische Konzept, die Grenzen Ägyptens nordwärts nach Palästina hinein auszudehnen, um eine breitere Basis für die Verteidigung des Suezkanals zu gewinnen. Von der Zeit der alten Pharaonen bis hin zu Gamal Abd-el-Nasser ist es das Ziel fast jedes ägyptischen Herrschers gewesenen Palästina Fuß zu fassen, um das Eindringen von Feinden in die Wüste von Sinai und damit eine Bedrohung des Niltals zu verhindern. Da Großbritannien im Besitz von Ägypten und des Suezkanals war, sah Chamberlain im Zionismus ein Mittel, jede Bedrohung von deutsch-türkischer Seite zu unterbinden. Sein Plan war den Zielen des Kaisers genau entgegengesetzt, als dieser für kurze Zeit daran dachte, den Zionismus für die deutschen Interessen zu nutzen.

Der Gedanke an ein jüdisches Gemeinwesen in Palästina als Vorposten des britischen Empire war keineswegs neu. Er wurde bereits 1840 von Lord Palmerston vertreten, der glaubte, eine jüdische Kolonie im Heiligen Land könne dem Osmanischen Reich, das damals von den Briten gestützt wurde, von Nutzen gegen die Ägypter sein, auf deren Seite die Franzosen standen.

Palmerston schrieb an seinen Botschafter in Konstantinopel: "Es herrscht heute unter den Juden, die über Europa verstreut sind, allgemein die Vorstellung, dass die Zeit nahe sei, da ihr Volk nach Palästina zurückkehren wird ... Wenn das jüdische Volk auf Einladung des Stiltans, mit seiner Genehmigung und unter seinem Schutz zurückkehrt,

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