Wenn sie die Analogie in toto ablehnen, verweisen die Zionisten immer auf den ihrer Ansicht nach entscheidenden Unterschied: Die Kreuzfahrer wären niemals eine Majorität in ihren eigenen Staaten gewesen, sondern nur eine dünne Schicht von Eroberern über der eingeborenen Bevölkerung.

Dieser Punkt ist höchst strittig. Rechnet man, wie man wohl weiß, zu der Kreuzfahrergesellschaft die eingeborenen orientalischen Christen, so müssen die Kreuzfahrer durchaus in der Majorität gewesen sein. Wenn andererseits Israel die neu besetzten Gebiete annektiert, dann wird die hebräische Gesellschaft ziemlich bald zu einer Minorität in ihrem eigenen Staat werden.

Waren die Kreuzfahrer eine Nation, die in Palästina so verwurzelt war, wie es die neue hebräische Nation sicherlich ist? Diese Frage muss bei jedem Vergleich zwischen den beiden Staatswesen beantwortet werden. Es ist natürlich schwierig, den modernen Terminus der "Nation" auf eine Zeit in der Vergangenheit anzuwenden, in der der Begriff der Nationalität selbst unbekannt und undenkbar war. Ich benutze den Begriff hier für eine Gemeinschaft, die sich als bestimmte Einheit versteht und auf einem bestimmten Gebiet lebt. Empfanden sich die Kreuzfahrer, auch die Sabras in der achten Generation (so nennen wir heute die in Israel geborenen Juden), als Palästinenser, deren Schicksal es war, in ihrem Land zu leben und zu sterben, oder empfanden sie sich eher als Franken, Deutsche oder Italiener, die in fremdem Lande ihren Dienst ableisteten und die jederzeit in ihr wahres Heimatland zurückkehren konnten? Man

möchte eher annehmen, dass viele der Nachkommen der alten etablierten Kreuzfahrerfamilien und ganz sicherlich die orientalischen Christen gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts Palästina als ihre einzige wahre Heimat angesehen haben. Doch etwas, das dem israelischen Nationalbewusstsein mit seinem stark ausgeprägten Gefühl der Zugehörigkeit zu dem Land - mit einer neuen gemeinsamen Sprache, die alle Neuankömmlinge aus den verschiedensten Ländern vereinigt - vergleichbar wäre, scheint sich nicht entwickelt zu haben.

Gegen Ende seiner History of the Crusades fuhrt Runciman aus:

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