Outremer (d. h. "jenseits des Meeres", wie die Europäer die Kreuzfahrer Staaten nannten) befand sich in einem ständigen Dilemma. Seine Gründung war das Werk religiösen Eifers sowie abenteuerlichen Landhungers gewesen. Aber wollte es gesund bleiben, so konnte es nicht weiterhin von einer ständigen Zufuhr von Menschen und Geld aus dem Westen abhängen. Es musste seine Existenz wirtschaftlich untermauern. Das aber war nur möglich, wenn es sich mit seinen Nachbarn verständigte. Waren diese wohlwollend und gediehen sie, so konnte auch der Kreuzfahrerstaat gedeihen. Doch Freundschaft mit den Moslems zu suchen, das wäre als vollständiger Verrat an den Idealen der Kreuzfahrer ausgelegt worden; die Moslems ihrerseits konnten sich niemals ganz mit der Existenz eines fremden Staates aussöhnen, der von Eindringlingen in Ländern, welche sie als ihre eigenen betrachteten, errichtet worden war ... Die Kreuzfahrer haben viele Fehler gemacht. Ihre Politik war oft zögernd und schwankend. Aber man kann sie nicht völlig darum verurteilen, dass es ihnen nicht gelang, ein Problem zu lösen, für das es im Grunde keine Lösung gibt.

Doch. Runciman zeigt, dass sich sogar unter den Rittern des Kreuzes eine Partei bildete, die für die Integration des Königreichs in den Nahen Osten eintrat, die bestrebt war, zu einer Partnerschaft mit der Welt der Araber zu kommen. Es ist die gleiche Grundidee, die zurzeit von uns in Israel vertreten wird, und sie scheint sehr viel mehr Aussicht auf Erfolg zu haben.

Die Zionisten und ihre israelischen Nachkommen meinten sich nie im Besitz einer heiligen Mission, gegen die Araber zu kämpfen. Im Gegenteil, die meisten von ihnen glauben ernsthaft, dass die Feindschaft der Araber gegenüber ihrem Staat auf einem bedauerlichen Missverständnis beruht. Das ist natürlich eine Illusion, aber allein die Tatsache, dass eine solche Illusion entstehen konnte, zeigt den grundlegenden Unterschied. Kein Kreuzfahrer hätte je geglaubt, dass der Krieg zwischen Christen und Moslems nicht von Gott gewollt sei. Deshalb sollte, ohne die beunruhigenden Einsichten, die sich aus der Kreuzzugsepoche für die Zukunft Israels gewinnen lassen, außer acht zu lassen, keiner, weder Israeli noch Araber, diese Analogie zu weit treiben und aus ihr eine fatalistische Hoffnung oder Furcht ableiten.

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