Ein geheimnisvoller, doch scheinbar hochgestellter ägyptischer Funktionär erschien in Paris, um mit Dr. Nahum Goldmann, dem Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation, Kontakt aufzunehmen. Goldmann war einer der wenigen zionistischen Führer, die an die Möglichkeit eines Friedens zwischen Israel und den arabischen Ländern glaubten und bereit waren, einen Preis dafür zu zahlen. Goldmann wurde gebeten, eine geheime persönliche Begegnung zwischen Abd-el-Nasser und Sharett zu arrangieren.

Es ist schwer zu schätzen, ob diese ägyptischen Friedensflihler ernst gemeint waren oder nicht. Sie mögen einzig und allein dem Zweck gedient haben, Israels Widerstand gegen den Abzug der Briten und gegen amerikanische Hilfeleistungen für Ägypten zu neutralisieren. Befremdlich ist Sharetts Haltung. Als diese Vorgänge später durch mich und andere veröffentlicht wurden, stritt Sharett sie heftig ab. Als dann Beweise wie die Erklärung Orbachs vorgebracht wurden und als Panikar in einem Gespräch mit mir persönlich diese Tatsachen bestätigte, erklärte Sharett, dass "zu jener Zeit" ihm niemals eine offizielle Einladung zu einer Begegnung mit dem ägyptisehen Oberhaupt übermittelt worden wäre. Damit suchte er dem eigentlichen Sachverhalt auszuweichen, denn all diese Versuche einer Fühlungnahme waren natürlich absolut inoffiziell. Sein Leugnen mag seinen Grund darin gehabt haben, dass er alles andere als stolz auf seine Rolle in jenem Jahr war. Als Ministerpräsident hatte er 1954 einen ungeheuren Druck auszuhalten. Sein Verteidigungsminister enthielt ihm wichtige Informationen vor; sein Generalstabschef entzog sich jeder Kontrolle; die öffentliche Meinung wurde von den Aktivisten manipuliert, und im Schatten lauerte die gewaltige Gestalt Ben-Gurions, offiziell ein Eremit im Wüstengebiet des Negev, in Wirklichkeit aber außerordentlich aktiv, wo es darum ging, die Position seines Nachfolgers zu untergraben. Auch die kleinste Konzession an die Araber hätte damals Sharetts politische Position zerstören können. Erst sehr viel später, als er vom Krebs befallen war und sein Ende nahen fühlte, hatte Sharett - dieser bescheidene, doch stolze Mann - die Kraft, gegen Ben-Gurion aufzustehen und während der späteren Stadien der Lavon-Affäre in einer

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