Zu Beginn der Krise, als der Krieg bereits in den Bereich der Wahrscheinlichkeit gerückt war, bat Dajan um die Erlaubnis, die Stellungen an der Südfront besichtigen und ihre Pläne studieren zu dürfen. Diese Bitte wurde ihm von Eshkol gewährt. So war Dajan bereits mit allen Entscheidungen im Planungsstadium vertraut. Als er seinen Posten als Verteidigungsminister antrat, war er daher sofort in der Lage, diese Pläne zu überprüfen und zu revidieren.

Er nahm zwei bedeutende Änderungen an der Südfront vor, von denen die erste strategischer Art war. Ursprünglich war vorgesehen, zwei Divisionen gegen die Ägypter einzusetzen und eine dritte in Reserve zu behalten. Dajan, der aus seinen Erfahrungen von 1956 her wusste, dass die Ägypter nach dem Durchbruch praktisch und

psychologisch nicht zu einem Gegenangriff fähig sein würden, beschloss, die dritte Division bereits in den ersten Ansturm mit hineinzuwerfen. Diese Maßnahme führte zu einer Verkürzung des Feldzuges. Vielleicht wäre es ohne sie der Armee nicht gelungen, bis zum Kanal vorzudringen, bevor sich die UNO einschalten konnte. Die zweite Änderung, die Dajan vornahm, war taktischer Art. Man hatte daran gedacht, Fallschirmjäger, die mit Hubschraubern hinübergeflogen werden sollten, in der Nähe des strategisch wichtigen Ortes Um Katef landen zu lassen. Der Generalstab hatte diesen Plan zurückgewiesen, weil er unter Umständen zu viele Menschenopfer fordern könnte. Dajans Entscheidung für den ursprünglichen Plan sollte sich als richtig erweisen.

Dagegen war Dajans Einfluss an den beiden anderen Fronten eher ein hemmender Faktor. Als man die Altstadt von Jerusalem eingekreist hatte, sprach sich Dajan gegen einen Frontalangriff aus. Auf Drängen anderer Kabinettsmitglieder wurde dieser Angriff - gegen Dajans Wunsch - dennoch durchgeführt, und ganz Jerusalem fiel in die Hände der Israelis, ehe die Waffenruhe in Kraft trat. An der syrischen Front zögerte Dajan den Angriff um volle achtundvierzig Stunden hinaus, und zwar gegen den ausgesprochenen Wunsch des Kabinetts und der örtlichen Befehlshaber. Dajan wollte für diese Operation, die schwierigste des ganzen Krieges, eine stärkere Truppenkonzentration. So konnten frische Truppen von der jordanischen an die syrische

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