Die Geschichte hat diese Theorie als falsch erwiesen. In Palästina wurde zwar ein jüdischer Staat gegründet, aber bei weitem die Mehrheit der Juden zeigte keine übermäßige Neigung, denselben aufzusuchen. Zweieinhalb Millionen, meist durch Härten verschiedener Form veranlasst, haben sich tatsächlich in jenem Lande angesiedelt, das heute Israel heißt. Doch mehrere Millionen anderer, die sich keiner leiblichen Verfolgung ausgesetzt sahen, blieben, wo sie waren. Die EinWanderung ist fast zum Stillstand gekommen, und Zweifel bestehen allenfalls hinsichtlich der Wünsche des sowjetrussischen Judentums, dem nicht gestattet ist, seine geschlossene Gesellschaft zu verlassen.

Es scheint demnach, dass die Juden der Welt keine Nation im zionistischen Sinne bilden. Das würde zum Fehlschlag des zionistischen Experiments geführt haben, hätte sich mittlerweile nicht etwas ganz Unvorhergesehenes ereignet: die Geburt einer neuen Nation in Palästina.

Blickt man heute auf dieses Ereignis zurück, so scheint es ebenso unvermeidlich gewesen zu sein, wie es die Entdeckung der Neuen Welt war, sobald einmal Kolumbus und seine kleine Flotte mit westliehern Kurs die Küsten Europas hinter sich gelassen hatten. Wenn man Hunderttausende von Menschen in ein fremdes Land verpflanzt - in ein neues Klima und eine neue Landschaft, wo sie eine jüngst wiedererweckte Sprache sprechen und auf andersartige physische und politisehe Herausforderungen reagieren, dann ist die Szene bereitet für die Entstehung einer neuen Gesellschaft. Besitzt diese Gesellschaft das Gefühl ihrer Einheit und ihres gemeinsamen politischen Schicksals, wird sie eine neue Nation. Das ereignete sich in den USA, in Australien, in Brasilien und in vielen anderen Ländern. Es geschah auch in Palästina.

Wir, die Söhne und Töchter des Zionismus, sind in der Tat eine neue Nation und nicht nur irgendein Teil des Weltjudentums, der zufällig in Palästina lebt. Das ist die zentrale Tatsache unseres Lebens, verdunkelt wohl durch veraltete Ideen und Schlagworte, aber eine Wahrheit, die begriffen werden muss, wenn man überhaupt etwas von unserer Existenz, von unseren Problemen und unserer Zukunft begreifen will.

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