Als Theodor Herzl seine Fahne hisste, lebten fast alle osteuropäischen Juden noch in der von Rabbinern regierten ghetto-ähnlichen orthodoxen Atmosphäre. Fast ausnahmslos alle Rabbiner sahen den Zionismus als den großen Feind an, ähnlieh wie Christen den Antichrist sehen.

Und nicht ohne Grund. Die Zionisten waren Nationalisten. Sie hingen der neuen europäischen Doktrin an, dass sich menschliehe Kollektive in erster Linie auf ethnische Herkunft, Sprache und Territorium und nicht auf Religion gründeten. Das stand im Widerspruch zum jüdischen Glauben, dass die Juden das durch den Gehorsam gegen seine Gebote vereinte Volk Gottes seien.

Wie jeder weiß, schickte Gott sein Erwähltes Volk wegen seiner Sünden aus ihrem Land ins Exil. Eines Tages wird Gott ihnen vergeben und ihnen den Messias senden, der die Juden, auch die toten, nach Jerusalem zurückführen wird. Die Zionisten begingen in ihrem verrückten Wunsch, das selbst zu tun, nicht nur eine Todsünde, sondern sie rebellierten sogar gegen den Allmächtigen, der seinem Volk ausdrücklich verboten hatte, sein Land en masse zu betreten.

Herzl und fast alle übrigen zionistischen Gründerväter waren überzeugte Atheisten. Ihre Haltung gegenüber den Rabbinern war herablassende Duldung. Herzl schrieb, dass im künftigen jüdischen Staat die Rabbiner in ihren Synagogen (und die Armee-Offiziere in ihren Kasernen) bleiben sollten. Alle führenden Rabbiner seiner Zeit verfluchten ihn in sehr deutlichen Ausdrücken.

Herzl und seine Kollegen hatten jedoch ein Problem. Wie sollten sie Millionen Juden dazu bringen, ihre altmodische Religion gegen den neumodischen Nationalismus auszutauschen? Er

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