Ganz plötzlich packt uns die Angst.
Wir stecken mitten in einem gewaltigen Verkehrsstau zwischen den beiden Teilen der vom Krieg zerrissenen Stadt Beirut. Wir haben drei militärische Linien passiert - die der israelischen, die der falangistischen und die der regulären libanesischen Armee. Keiner hat uns Fragen gestellt, vielleicht weil wir uns an den Wagen eines deutschen Fernsehteams angehängt haben, dessen Chef ständig mit seinen libanesischen Passierscheinen wedelt. Meine blauen Augen, mein nordisches Aussehen muß die Libanesen wohl überzeugt haben, daß auch wir zu dem Team gehören.
Wir sind Teileines Blechmeers, das sich im Schneckentempo vorwärts schiebt. Viele Libanesen, die im östlichen, christlichen Teil der Stadt Zuflucht vor dem Krieg fanden, haben im westlichen, islamischen Teil noch Geschäfte und Familien und nutzen jede Kampfpausefür eine rasche Fahrt nach drüben und zurück. Heute hatte es seit den frühen Morgenstunden keine Bombardements gegeben, nur vereinzelt Maschinengewehrfeuer.
Es ist sehr, sehr heiß.
Wir drei - die Reporterin Sarit Yishai, die Fotografin Anat Saragusti, beide aus der Redaktion meines Magazins, und ich - sitzen in einem libanesischen Taxi, das wir für diese Fahrt gemietet haben, weil wir nicht wagten, den eigenen Wagen mit seinen israelischen Nummernschildern zu nehmen. Plötzlich wird uns klar, daß es kein Zurück gibt. Wir sind ringsum eingeklemmt in der vorwärtskriechenden Automasse.
Rechts von uns liegt das Gebäude des libanesischen Parlaments, bewacht von ein paar libanesischen Polizisten, und links der berühmte Museumskomplex. Zum Glück wissen wir nicht, daß sich in diesem Gebäude ein heimlicher Vorposten der PLO-Truppen verborgen hält.
Und da vorn, keine fünfzig Meter weiter, blockiert ein großer Erdhaufen die Straße. Obenauf stehen wildblickende, in Khaki gekleidete Gestalten und schwenken Kalaschnikoffs.
Wir sehen sie zum ersten Mal im Leben: Die furchtbaren Feinde, die " Terroristen", die Guerilleros, die Fedajin, die PLO-Armee.
Was wird passieren? Wissen sie Bescheid? Wie werden sie reagieren, wenn sie zum ersten Mal dem Feind begegnen, den Zionisten, den Israelis?
Ich schaue die beiden Mädchen neben mir an. Ihre Gesichter haben die Farbe gewechselt, sie sind bleich geworden, grünlich.
"Ich habe Angst", sagt Sarit.