Das Treffen

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Ich sah ihn nicht hereinkommen.

Wir hatten schon eine Weile herumgesessen in der Wohnung von Imad Shakur, Arafats Mitarbeiter für israelische Angelegenheiten und früher Mitarbeiter meiner Zeitschrift. Wir hatten geplaudert und uns die Zeit vertrieben. Kinder tobten herum, Verwandte gingen ein und aus. Wir warteten. Eigentlich glaubten wir nicht daran, daß das Unglaubliche wirklich geschehen sollte. Auf einmal war er da. Ich merkte es daran, daß eine plötzliche Spannung entstand, eine Bewegung an der Tür.

Er trat mit schnellen Schritten ein, umarmte einige seiner Leute. Dann kam er auf mich zu, ein breites Lächeln im Gesicht, er umarmte mich und küßte mich auf beide Wangen, eine Geste, die mich immer noch in leichte Verlegenheit stürzt.

Er war genau so, wie ich ihn viele Male auf dem Bildschirm gesehen hatte, und zugleich ganz, ganz anders. Ich habe viele führende Politiker und weltberühmte Leute im Leben gesehen, aber keinen, bei dem sich das öffentliche Image so sehr von seinem wahren Selbst unterschied wie bei Yassir Arafat. Er war größer, als ich gedacht hatte. Als erstes sah ich, daß er einen gepflegten Bart hatte, nicht die wirren Dreitagestoppeln, die sein Markenzeichen geworden sind. Sie sind eine optische Täuschung. Sein grauer Bart ist unregelmäßig schwarz meliert. Die Kamera sieht das Grau nicht, daher der ungepflegte Eindruck. Das zweite, was einem auffällt, sind seine Augen. Auf dem Fernsehschirm erscheinen sie fanatisch, beinahe ein bißchen irre. In Wirklichkeit sind es warme, braune Augen, blank, wie Rehaugen. Sie geben ihm etwas Sanftes. Ebenso sein Mund mit den fleischigen, weichen Lippen. Die beiden Frauen in meiner Begleitung bemerkten auch seine kleinen, weißen, zartgliedrigen Hände. Er trug einen gut gebügelten khakifarbenen Kampfanzug und auf dem Kopf seine berühmte khakifarbene Soldatenmütze.

Er setzte sich zwischen meine Korrespondentin Sarit Yishai und mich auf das Sofa, und nun wurde es sehr ungezwungen - zwei Menschen setzten sich zusammen und redeten, manchmal scherzend, manchmal streitend. Sein Englisch war gut, nicht perfekt, und von Zeit zu Zeit bat er seine Leute, ein arabisches Wort zu übersetzen.

Einmal suchte er nach dem englischen Wort für "Verschwörung". Er sagte es auf Arabisch, der palästinensische Dichter Mahmud Darwish übersetzte es ins Hebräische, ich übersetzte es vom Hebräischen ins Englische; wir alle lachten. Etwas später fragte Sarit ihn, ob er Hebräisch könne. Lachend sagte er auf Hebräisch: "Ich liebe dich. Wie geht es dir?"

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