Gefahr betritt er ein anderes Haus, das er für unbewohnt hält. Als er feststellt, daß es das nicht ist, bittet er, in einem Zimmer wohnen zu dürfen, und dabei beruft er sich darauf, daß vor vielen, vielen Jahren einmal seine Vorfahren dort gewohnt hätten. Die Bewohner des Hauses haben natürlich etwas gegen diesen Eindringling und versuchen, ihn mit Gewalt zu vertreiben. Im Angesicht dieser neuen Gefahr wird nun der Mann gewalttätig, er kämpft um den Raum und belegt im Laufe des Getümmels mehr und mehr Zimmer des Hauses mit Beschlag, bis er die ursprünglichen Bewohner ganz und gar hinauszuwerfen droht.

Der Zionismus war eine jüdische Bewegung, die Ende des vorigen Jahrhunderts im fernen Europa entsprang. Eigentlich war sie das Streben, die Juden zu retten, bevor die aufziehende Düsternis zu totaler Dunkelheit geworden war, obwohl sich gewiß keiner der Gründerväter die entsetzliche Katastrophe vorstellen konnte, die wenige Jahrzehnte später über ihr Volk kommen sollte. Aber viele von ihnen waren von schrecklichen Ängsten verfolgt. Sie wollten die Juden aus den bedrohten Ghettos holen, weg von den Pogromen, der Diskriminierung, dem wachsenden antisemitischen Terror, weg in ein Land, in dem sie sich eine neue nationale Heimstätte schaffen konnten. Einigen von ihnen war es ziemlich gleichgültig, wo diese Heimstatt lag. Was sie bewegte, war in erster Linie die Situation in den alten Heimstätten, nicht die Situation in der Heimat der Zukunft.

Die Geschichte des modernen politischen Zionismus beginnt mit einem Büchlein des streitbaren Wiener Publizisten Theodor Herzl, "Der Judenstaat". Es erläuterte bis in die Einzelheiten, wie er sich den jüdischen Staat vorstellte, mit Kapiteln über Arbeiterwohnungen, Landverkauf, ungelernte Arbeiter. Es beschrieb, wie die Fahne künftig aussehen würde (sie sieht picht so aus), wie das Vorhaben im einzelnen zu finanzieren wäre, und es behandelte noch viele weitere Themen.

Aber das Buch enthielt nicht einen einzigen Hinweis darauf, daß Palästina von Arabern bewohnt war. Ja, das Wort "Araber" kommt in dem ganzen Buch nicht einmal vor. So seltsam das anmuten mag, es gab dafür einen Grund: Als Herzl sich seinen Zukunftsstaat erträumte, dachte er nicht an ein bestimmtes Land. Er zeichnete den Entwurf einer nationalen Heimstatt, die überall aufgebaut werden konnte - in Argentinien, in Kanada, in Uganda. Erst in der letzten Phase der Niederschrift seines Buches kam Herzl zu der Überzeugung, daß der Gedanke an Palästina dem Projekt der Schaffung eines Judenstaates den nötigen emotionalen Elan geben könnte. Deshalb fügte er in sein Buch einen kleinen Absatz ein, in dem er sagte, das beste aller möglichen Territorien für den neuen Judenstaat wäre wohl Palästina. In dieser Passage, die eher wie eine nachgeschobene Überlegung klingt, sagte er, daß ein Judenstaat in Palästina ein Stück des europäischen "Schutzwalles gegen Asien" bilden und als "Vorposten der Kultur gegen die Barbarei" dienen würde. Diese Worte,

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