Barrieren zwischen uns und den Palästinensern waren niedergerissen. Wir konnten uns unmittelbar an sie wenden, von Angesicht zu Angesicht mit ihnen reden, wir konnten ihnen das Kostbarste anbieten, das es für ein Volk gibt auf der Welt: einen eigenen Nationalstaat.

In einem Strudel der Aktivität schrieb ich einen Brief an Ministerpräsident Levi Eschkol, zu dem ich ein freundschaftliches Verhältnis hatte. Der Brief erschien am 9. Juni 1967, dem fünften Tag des Krieges, in unserer Tageszeitung Daff und, ausführlicher, am 14. Juni in der wöchentlichen Haolam Hazeh. Ich beglückwünschte den Ministerpräsidenten zu dem Sieg, und dann schrieb ich weiter: "Jetzt, Herr Ministerpräsident, müssen wir unsere Gedanken ganz darauf richten, einen dauerhaften Frieden zu erreichen, der die Unabhängigkeit, Sicherheit und Fortentwicklung des Staates Israel für Generationen sicherstellt. Die Weisheit der Politiker muß die Ernte einbringen, die mit dem Blut der Soldaten ausgesät wurde ... Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen für Ihre Überlegungen den folgenden Plan einer Friedensregelung zu unterbreiten: 1. Innerhalb von drei Monaten werden die Einwohner des Gaza-Streifens und der West Bank aufgefordert, sich an einer Volksabstimmung zu beteiligen. Mit diesem Referendum sollen sie demokratisch über ihre Zukunft entscheiden. 2. Die Stimmberechtigen werden gebeten, mit Ja oder Nein über die Grundfrage der Errichtung eines freien und unabhängigen Palästinenserstaates in der West Bank und in Gaza abzustimmen."

Die Einzelabschnitte des Plans, der dann folgte, befaßten sich mit Föderationsregelungen zwischen dem Palästinenserstaat und Israel, dem Status Jerusalems, der UN-Aufsicht über das Referendum, der Rückkehr der Flüchtlinge, den Verbindungen zwischen dem Palästinenserstaat und der arabischen Welt (parallel zu den Verbindungen zwischen Israel und der jüdischen Welt) und dem Abschluß von Friedensverträgen zwischen Israel und den arabischen Staaten.

Ich schlug vor, Eschkol solle in eben diesem Augenblick des Aufruhrs und der Orientierungslosigkeit, da alle gültigen Vorstellungen zusammengebrochen waren, alte Denkmuster zerfielen und die Chance für die Schaffung völlig neuer bestand, einen dramatischen Schritt tun.

Es kam natürlich keine Reaktion von Levi Eschkol. Ich werde in einem späteren Kapitel dieses Buches zu erklären versuchen, wie sich die offizielle Politik Israels gegenüber dem Palästinenserproblem und den besetzten Gebieten von diesem Tage an entwickelt hat. Aber in jenen ersten Tagen hatte niemand in den offiziellen Führungskreisen eine klare Vorstellung, was zu tun sei. Das Angebot meiner Initiative muß ihnen verdächtig vorgekommen sein. Wie konnte einer unter dem Eindruck des Augenblicks mit einem kompletten Plan aufwarten? Aber natürlich war nichts daran improvisiert. Ich hatte viele Jahre lang über diese Lösung nachgedacht. Es fiel mir leicht, die Gelegenheit zu erkennen, sobald sie sich bot.

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