In diesen hektischen Tagen, als ich zwischen der Knesset und der Redaktion hin und her sauste, befaßte ich mich hauptsächlich mit einem anderen tragischen Aspekt des Krieges. Freunde in der Armee schickten uns Berichte über das, was sich da zutrug - die Stadt Khalkhilia wurde systematisch zerstört, Dörfer bei Latroun wurden ausradiert, Flüchtlinge vom anderen Ufer des Jordan, die nachts den flachen Fluß durchwateten und heimkehrten, wurden in großer Zahl umgebracht. Ich appellierte an Stabschef Itzhak Rabin, an den Ministerpräsidenten und einige seiner Minister, darunter Menachem Begin, der am Vorabend des Krieges in das Kabinett der Nationalen Einheit eingetreten war. Die Zerstörung Khalkhilias, der arabischen Stadt, die der alten Grenze in der Küstenebene am nächsten lag, wurde gestoppt. Die Häuser wurden wieder aufgebaut und die Bewohner, die man nach Nablus deportiert hatte, durften zurückkehren. Es war zu spät, die Dörfer bei Latroun zu retten, die man dem Erdboden gleichgemacht hatte; dieses Gebiet ist heute ein Nationalpark mit Namen Canada. Das Massenschlachten entlang des Flusses wurde eingestellt.
In den folgenden sechs Jahren bis zum Yom Kippur-Krieg, der mich meinen Parlamentssitz kostete, hielt ich unzählige Reden in der Knesset und draußen über die Palästina-Lösung. Mit wehem Herzen sah ich zu, wie eine einmalige Chance vertan wurde. Mehrmals wandte ich mich vertraulich an Levi Eschkol und versuchte, ihn zu überzeugen, daß er die Möglichkeit hätte, dem Lauf der Geschichte seinen persönlichen Stempel aufzudrücken, so wie David BenGurion, als er die Gründung des Staates Israel verkündete. Eschkol war stets höflich, sogar freundlich, aber total unzugänglich. Ich versuchte, einem Farbenblinden ein schönes Bild zu erklären.
Ich stellte in der Knesset Dutzende von Anträgen, die Regierung möge den Palästinensern ein historisches Angebot machen: Daß sie den Menschen in den besetzten Gebieten die politische Freiheit schenke und ihnen erlaube, ihre Vorstellungen zu entwickeln und ihre Führer zu wählen. Mal für Mal hob ich meine Hand für diese Anträge in einsamer Größe, einer gegen 119. Selbst die Kommunisten waren damals entschieden gegen den Plan eines Palästinenserstaates, wie üblich getreu der Moskauer Linie, die damals noch die Rückkehr der West Bank zu König Hussein verlangte - eine einmalige Demonstration von kommunistischem Monarchismus.
Ein Satz, in der Erregung der Debatte von einem Knessetmitglied geäußert, ist mir im Gedächtnis haften geblieben: "Uri Avnery und der Mufti haben das palästinensische Volk erfunden!" Der Mufti war Hadsch Amin al-Husseini, der führende Kopf der Palästinenser zwischen den beiden Weltkriegen, bevorzugte Zielscheibe israelischen Hasses.
Einige Abgeordnete gab es in der Knesset, die mir nach solchen Debatten die Hand schüttelten und leise sagten: "Ich hätte ja gern für Ihren Antrag gestimmt, aber sie wissen doch, die Parteidisziplin... "