Ein Vorfall mag die damals herrschende Lage ein wenig illustrieren. In einer Debatte hatte ich gesagt, alle prominenten Führer der West Bank hätten mich im persönlichen Gespräch wissen lassen, daß sie für die Schaffung eines unabhängigen Palästinenserstaates seien. Dies bestritt Eschkol sehr heftig in seinem Schlußwort zur Debatte. Wenige Stunden später jedoch rief mich Mosche Sasson an, sein Berater für die besetzten Gebiete; er bat mich um ein Gespräch und sagte, der Ministerpräsident habe ihm aufgetragen, meine Informationen im einzelnen zu prüfen. Das Treffen fand am 19. November 1968 statt. In dem Protokoll, das er mir zur Gegenzeichnung schickte, sagte er, er stimme mit meiner Einschätzung der Haltung der West Bank-Führer überein: Sie seien in der Tat für die Schaffung eines palästinensischen Nationalstaates. Weiter schrieb Sasson: "Ohne näher zu untersuchen, ob ein Palästinenserstaat wünschenswert ist oder nicht, ist zu fragen, ob die Araber einen solchen Staat wünschen, wenn er Jerusalem nicht einschließt. Da wir (gemeint ist die Regierung Israels) nicht bereit sind, Arabisch-Jerusalem zurückzugeben - und da ich nicht einen einzigen Araber kenne, der an einem palästinensischen Staat ohne Jerusalem interessiert ist -, wird die Auseinandersetzung über einen Palästinenserstaat gegenstands- und nutzlos... Weder ich noch Herr Avnery konnte einen einzigen Führer in der West Bank benennen, der bereit ist, den Gedanken des Palästinenserstaates ohne Jerusalem zu unterstützen. In Beantwortung meiner Frage erklärte Herr Avnery, daß seine Formulierung hinsichtlich Jerusalems in diesem Stadium bewußt allgemein gehalten sei: Ein vereintes Jerusalem wird zur Hauptstadt Israels, zum Sitz der Gemeinschaftseinrichtungen und zur Hauptstadt des Palästinenserstaates."

*

Im Herbst 1967 schrieb ich ein Buch, das die Geschichte des israelischpalästinensischen Konflikts darstellte und die angestrebte Zweistaatenlösung, die mir vorschwebte. Das Buch mit dem Titel "Israel ohne Zionisten" erschien 1968 in den USA (und 1969 in Deutschland). Dann machte ich in Washington, D.C., die Runde und versuchte, die Idee zu verkaufen. Ich sprach mit Lord Caradon, dem Leiter der britischen UN-Delegation und Vater der UNResolution 242; mit Joseph Sisco vom State Department, Harold Saunders im Weißen Haus, Charles Yost, dem Leiter der US-Delegation bei den UN, mit Senator William Fulbright, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, und vielen anderen. Das Ergebnis war niederschmetternd. Die meisten Leute, mit denen ich redete, waren eisern gegen einen Palästinenserstaat. Die Existenz des palästinensischen Volkes wollten sie weder anerkennen noch überhaupt zur Kenntnis nehmen.

Doch einen sonderbaren Erfolg hatte mein Buch. Anfang 1971 gab das Forschungszentrum der Befreiungsorganisation Palästina in Beirut ein Buch

51