Was mich betraf, so stand ich rechtlich auf sehr schwankendem Boden. Nach israelischem Recht ist das Zusammentreffen mit einem feindlichen Agenten ein Verbrechen, das der Spionage gleichkommt, es sei denn, es gibt stichhaltige Gründe für ein solches Treffen und es besteht nicht die Absicht, die Sicherheit des Staates zu beeinträchtigen. Es obliegt dem Richter, zu entscheiden, ob die Gründe eines Angeklagten stichhaltig sind und welches seine Absichten waren. Es gab keinen Präzedenzfall. Es war dem Sicherheitsdienst, dem berühmten Schin Bet, überlassen, zu entscheiden, ob ich bei meiner Rückkehr zu verhaften war.
Wir hatten beide beschlossen, diese Risiken auf uns zu nehmen. Da standen wir nun, und jeder betrachtete den anderen mit schamloser Neugier wie ein seltenes Tier.
*
Edward Mortimer hatte gut gearbeitet. Er hatte Hammami angesprochen und ihm von meinem Wunsch berichtet, ihn kennenzulernen. Die Vorbereitungen hatten monatelang gedauert. Es unterlag keinem Zweifel, daß Hammami meinen Vorschlag nach Beirut gemeldet hatte und daß es seine Zeit brauchte, bis Yassir Arafat und seine Kollegen zu einem Entschluß kamen. Ich vermute, daß sie sich gefragt haben, ob man mir vertrauen dürfte, daß ich den Kontakt geheimhielte. Schließlich war ich ja nicht nur Politiker, sondern auch Journalist - zwei Spezies, denen nicht gerade die besondere Fähigkeit nachgesagt wird, etwas für sich zu behalten. (Tatsächlich hörte ich viele Jahre später indirekt ein Kompliment von Yassir Arafat. Einem Freund sagte er: "Mehr als alles andere respektiere ich an Avnery, daß er so viele journalistische Knüller bekommen und nie ein Geheimnis verraten hat.")
Ich vertraute niemandem außer meinem engsten Freund, Berater und Rechtsbeistand Amnon Zichroni, einem brillanten jungen Anwalt, der mir in den acht Jahren meiner Parlamentsarbeit zur Seite stand. Wir beschlossen, das Risiko einzugehen und die Initiative geheimzuhalten - was die Gefahr der Strafverfolgung erhöhte -, um nicht zu riskieren, daß diese einmalige Chance durch staatliche Einmischung vereitelt wurde.
Endlich erhielt ich einen positiven Bescheid. Said Hammami war bereit, sich in London mit mir zu treffen. Beide Seiten vereinbarten, solange absolutes Stillschweigen über die Kontakte zu wahren, bis sie etwas anderes vereinbaren würden.
Bei meiner Ankunft in London gab mir Mortimer Hammamis private Telefonnummer. Ich rief an und nannte meinen Namen. Eine eisige Frauenstimme mit arabischem Akzent antwortete mir - Hammamis Frau Khalida, die, wie ich später erfuhr, Flüchtling aus Jerusalem war.