Für sie, das spürte ich, war ich der Feind, der verhaßte Zionist, der ihr Volk vertrieben hatte.
Einen Augenblick darauf war Hammami selbst am Telefon. Wo ich wohnte? Ich nannte ihm mein Hotel, das Mount Royal auf der Oxford Street, und meine Zimmernummer. Ob ich am späten Nachmittag in meinem Zimmer sei? Ja, ich würde da sein. Er versprach, noch einmal anzurufen, um Zeit und Ort für unsere Begegnung auszumachen. Es war ein Hauch von Konspiration an seinen Arrangements und erinnerte mich an die alten Irgun-Tage.
Rachel, meine Frau, die bei mir war, hatte für den Abend Theaterkarten gekauft. Zehn Minuten, bevor wir gehen mußten, klingelte das Telefon. Es war Hammami. Er teilte mir mit, daß er in ein paar Minuten bei mir im Zimmer sein werde. Es war eine praktische und vernünftige Vorsichtsmaßnahme.
Rachel ging allein ins Theater. Ich blieb da und dachte: Wenn die ganze Welt eine Bühne ist und alle Männer und Frauen bloß Schauspieler, die auftreten und abgehen, wird sich jetzt hier in diesem kleinen Hotelzimmer eine neue Szene entfalten. Es war der 27. Januar 1975.
*
Da war er also.
Vor meinem inneren Auge blitzte eine Szene aus einem längst vergessenen Buch auf. Während der napoleonischen Kriege mußten zwei Kriegsschiffe, ein englisches, ein französisches, im Hafen einer neutralen Insel Zuflucht suchen. Auf dem Ball, den der Gouverneur gab, trafen sich die Offiziere beider Schiffe in prächtig weißen, goldbetreßten Uniformen, sie tauschten kühle Höflichkeiten aus und flirteten und tanzten mit denselben Mädchen. Hier und da mag ein menschliches Zeichen, ein Blick der Sympathie zwischen zwei feindlichen Offizieren gewechselt worden sein, aber sie wußten alle, daß sie die Insel am anderen Morgen verlassen und aufs neue versuchen würden, einander zu töten. Theoretisch war unsere Situation genau dieselbe. Der Mossad hatte seine Kollegen in Europa getötet und könnte morgen ihn töten. Mein Leben war zu Hause wie das aller anderen von Angriffen der Fedajin bedroht. Mein Flugzeug konnte auf dem Rückflug von seinen Leuten entführt werden. Wir befanden uns im Krieg.
Gleichzeitig aber waren wir Kameraden in einem anderen Kampf, einem Kampf um israelisch-palästinensischen Frieden. Das schuf gleich zu Anfang ein unbestimmtes Gefühl der Kameradschaft. Diese Doppeldeutigkeit prägte all unsere Begegnungen in den folgenden Jahren. Ziemlich oft mußten wir uns bewußt ins Gedächtnis rufen, daß wir - nein, nicht Freunde waren, wir waren Feinde.