Nahen Osten verstreut. Abgesehen von einzelnen im Westen lebt keiner der viereinhalb Millionen Palästinenser in einem freien Land, hat das Recht zu wählen, ungehindert politisch zu diskutieren oder sich frei zu organisieren. Abgesehen von dem kurzlebigen Ministaat im Südlibanon gab es nie einen Ort, an dem die PLO politische Hoheitsgewalt ausüben konnte. Kein Palästinenserführer kann den Palästinensern seinen Willen aufzwingen, wie es arabische Diktatoren in vielen Ländern tun, ebensowenig stehen ihm Polizeikräfte, Gefängnisse oder eine geknebelte, willfährige Presse zur Verfügung.

Das bedeutet, daß Entscheidungen nur durch eine Form von Konsens möglich sind. Und das ist ein langer und schwerfälliger Prozeß. Die Politik muß sehr vielen Leuten in vielen verschiedenen Ländern erklärt werden, und das unter den Augen wechselseitig verfeindeter Regime und ihrer Geheimpolizeien. Dieser Prozeß erreicht seinen Höhepunkt beim Kongreß des Nationalrates, dessen Mitglieder aus weit verstreuten, geografisch wie politisch weit abgelegenen "Wahlkreisen" kommen. Die positive Seite an alledem ist, daß die PLO tatsächlich als eine Form von Demokratie funktioniert und daß gute Chancen bestehen, daß diese Demokratie künftig im Palästinenserstaat Fuß fassen wird wie in Israel. Die negative Seite ist, daß es extrem schwer ist, Neuerungen durchzusetzen, neue Beschlüsse zu fassen und einmal gefaßte Beschlüsse zu ändern.

Das wäre schon schwierig genug gewesen, wenn die PLO eine einheitliche Organisation wie die Fatah wäre. Aber die palästinensischen Verhältnisse und die arabische Realität stellten für jede arabische Regierung eine ständige Versuchung dar, sich in die Angelegenheiten der PLO einzumischen, eigene Agenten einzusetzen und eine eigene Fedajin-Organisation zu bilden, um Einfluß auf die Entscheidungsfindung in der PLO zu gewinnen und so die eigenen Interessen zu fördern. Es wurde eins der Hauptziele der Fatah, "Entscheidungsfreiheit" zu gewinnen, die Fähigkeit der PLO, ihre Beschlüsse selbst zu fassen, nur im Interesse der Palästinenser, ohne Zwänge oder Drohungen der diversen arabischen Regierungen, von denen jede die Palästinenser in ihrem Land als Geiseln benutzt.

Als ich die Kontakte zu Hammami aufnahm, hatte ich nur vage Kenntnis von diesen Fakten. Die israelische Ignoranz in palästinensischen Dingen ist abgrundtief, und selbst ich, der sich schon jahrelang mit der Palästinenserfrage beschäftigt hatte, wußte reichlich wenig über die inneren Strukturen der PLO, einer immer noch geheimnisumwobenen Organisation. Wir brauchten viele Jahre, um zu einem besseren Verständnis der Probleme der PLO zu kommen, und wir hätten uns manche Enttäuschung erspart, wenn wir mehr gewußt hätten.

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