Unüberschaubar ist die Flut von schriftlichen Äußerungen zu dieser Charta. Manche PLO-Führer haben versucht, sie wegzuerklären, indem sie entweder behaupteten, das Dokument bedeute nicht, was es besage, oder meinten, es sei durch spätere Beschlüsse des Palästinensischen Nationalkongresses überholt. Diese Beschlüsse wurden generell einstimmig gefaßt, und die Charta bestimmt in Artikel 33, daß sie mit einer Zweidrittelmehrheit der Stimmen im Nationalkongreß geändert werden kann.

Der eigentliche Einwand gegen die Forderung nach offizieller Aufhebung der Charta ist, daß es in der Politik nicht üblich ist, eine Urkunde aufzuheben. Das übliche Verfahren zur Beseitigung eines Dokuments ist die Verabschiedung eines neuen. Daß die Amerikaner der Entspannungspolitik mit der Sowjetunion zustimmten, war nicht an die Bedingung geknüpft, die Sowjetführung müsse offiziell dem Kommunistischen Manifest abschwören. In einem künftigen israelisch-palästinensischen Friedensabkommen müßte eine Klausel des Inhalts, daß alle entgegenstehenden früheren Erklärungen und Beschlüsse hiermit null und nichtig sind, dieser Forderung Genüge tun und die Charta ein für alle Mal ad acta legen.

Diese Charta ist nur in ihrem historischen Zusammenhang richtig zu verstehen. Sie faßt zusammen, was das palästinensische Volk über zwei Generationen hin geglaubt und gewollt hat: Daß ganz Palästina ihr Land sei, und nur ihres, daß die jüdische Besiedlung eine fremde Invasion sei und daß das notleidende Palästinenservolk diese Haltung als wichtigsten Quell seiner Kraft und seines Zusammenhalts bewahren müsse.

Die Charta ist als Ausdruck des palästinensischen Konsenses zu verstehen, wie er zur Zeit ihrer Niederschrift, in den Jahren 1964 bis 1968, bestanden hat, als das Los der Palästinenser auf seinem Tiefpunkt war. Sie löste sich von der Realität, als die Realität zu düster war, um ihr ins Auge zu blicken.

Aber schon als sie formuliert wurde, war die Charta obsolet. Israel war eine Realität geworden, die Existenz einer neuen jüdischen Nation in Israel war ein Faktum, das man nicht wegwünschen konnte, der Gedanke, daß die arabische Welt sich vereinen würde, um für die Palästinenser zu kämpfen, war blanke Utopie. Mit keiner Verrenkung seiner Phantasie konnte ein vernünftiger Palästinenser hoffen, Israel mit Waffengewalt abzuschaffen. Gewaltaktionen konnten nur dazu dienen, das Augenmerk der Welt auf das Los der Palästinenser zu lenken und die Mächte zu überzeugen, daß mit den Palästinensern und ihren Bestrebungen zu rechnen war.

Bald nachdem die gültige Fassung der Charta beschlossen war, brach der lange Marsch auf. Die erste Etappe war der sogenannte demokratische und säkulare (oder nichtkonfessionelle) Palästinenserstaat, in dem Moslems, Juden und Christen als Gleiche Zusammenleben würden.

Israelis begreifen im allgemeinen nicht, warum dies ein großer Schritt vorwärts war. Für sie war es nichts als eine neue Formulierung für die Grundidee

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