argumentierten ja, daß die Schaffung eines Palästinenserstaates in der West Bank und im Gaza-Streifen nur der erste Schritt eines steten "Salami"Verfahrens sein würde, Israel Stück für Stück aufzuschneiden wie eine Wurst. Die ferne Zukunft mochte manches bringen, und jeder habe das Recht auf eigene Visionen. Die praktische Aufgabe jetzt sei jedoch, auf der Basis einer Zweistaatenlösung Frieden zu erreichen.
"Wenn am Ende eine Konföderation der Staaten Israel und Palästina vereinbart würde", sagte ich, "könnte das die Zustimmung der Israelis finden. Aber es ist unannehmbar, wenn die Israelis entnationalisiert und zu einer bloßen Gemeinde gemacht werden sollen. Wir sind eine Nation und werden eine Nation bleiben. Wenn sich die Israelis irgendwann in der Zukunft an einer regionalen Dachkonstruktion beteiligen, werden sie das als Nation tun." Im Laufe des Seminars hatte der britische Teilnehmer Dennis Walters, ein proarabisches Parlamentsmitglied, die Palästinenser gebeten, sich mit etwas wie "summarischer Gerechtigkeit" zu begnügen, ein sehr zartfühlender Ausdruck dafür, daß man danach streben sollte, das in jeder Phase Mögliche zu erreichen. Vor Schluß der Tagung ergriff ich das Wort und sprach einen Punkt an, über den ich seither immer wieder nachgedacht habe. Das Tagungsprotokoll gibt meine Bemerkungen folgendermaßen wieder:
"Professor Martin Buber, der ein großer Philosoph, ein großer Freund des arabischen Nationalismus und auch einer großer Zionist war, habe ihm vor Jahren gesagt, es gebe für jede politische Idee einen bestimmten Augenblick, und Herr Avnery meinte, die Kunst der Politik im weitesten Sinne bestehe darin, diesen Augenblick zu erfassen. Es könne ein sehr flüchtiger Augenblick im Leben einer Nation sein, in dem alles zusammentreffe und in dem alles möglich sei, was im Augenblick vorher nicht möglich war und was dann wieder für lange Zeit unmöglich sein könnte.
In der Geschichte der israelischen Nation habe es einen solchen Augenblick im Jahre 1947 gegeben, als den Israelis ein kleines Stück Palästinas als Staat angeboten wurde, und die große Mehrheit habe den Verstand gehabt, es anzunehmen, Herrn Begin zurückzuweisen, die Irgun zurückzuweisen, all die Kräfte zurückzuweisen, die heute in Israel an der Macht sind, und der Errichtung des Staates Israel zuzustimmen.
Er zögere, es auszusprechen, weil es wie ein typisches Beispiel der israelischen Arroganz klingen könnte, aber er würde es als eine Vernachlässigung seiner moralischen Pflicht empfinden, wenn er es nicht sagte: Er glaube, jetzt hätten die Palästinenser einen solchen Augenblick. Es sei vielleicht ein sehr kurzer Augenblick, doch es sei der Augenblick für die palästinensische Nation, nicht alle ihre Träume zu verwirklichen, aber das Minimum für ihre nationale Existenz, eine Grundlage, auf der sie ein neues nationales Leben aufbauen könnten. Jetzt sei die Zeit, und es käme in hohem Maße auf ihr verständiges Handeln in der allernächsten Zukunft an. Einst habe es in Palästina ein britisches Armeecamp gegeben, das eine Fahrschule hatte. Mitten auf dem Schulhof habe ein schrecklich zertrümmertes Auto gestanden mit einem Schild, auf dem stand: "Aber er war im Recht." Recht haben könne ein Unglück sein, denn wenn man