solche Vertraulichkeiten nicht verraten würde - was ihm bei anderen sehr häufig passierte.
Ich hatte ihn stets im Verdacht, an einer Art verschmähter Liebe zu Israel zu leiden. Er gab zwar vor, Israel so leidenschaftslos zu sehen wie jeden anderen Staat, was ihm in Israel sehr übelgenommen wurde, aber in Wahrheit fühlte er sich mit dem Los des jüdischen Staates tief verbunden, ärgerte sich über dessen Stupiditäten und war betroffen von den brutalen Angriffen gegen ihn in der israelischen Presse. Vielleicht war es für ihn eine Erleichterung, daß wenigstens ein Israeli in vielen Dingen mit ihm übereinstimmte.
Im Laufe des Jahres 1976 wuchs seine Enttäuschung über Ministerpräsident Rabin. Als eingefleischter Sozialdemokrat, Marke Österreich, fühlte er sich solidarisch mit der israelischen Arbeiterpartei und warf Rabin vor, die Partei schlecht zu vertreten, Parteibeschlüsse zu mißachten und ein schlechter Internationalist zu sein - in seinen Augen lauter schwere Vergehen. "Der Mann hat's nicht in sich", sagte er einmal zu mir und setzte hinzu, daß er von Schimon Peres einen guten Eindruck hätte. Da ich Peres nie gemocht oder geschätzt hatte und immer noch die Hoffnung hegte, Rabin könnte dazu gebracht werden, in der Palästinenserfrage seine Haltung zu ändern, versuchte ich, zwischen Kreisky und Rabin zu vermitteln und drängte Rabin in persönlichen Briefen, Kreisky anders zu behandeln. Es war vergeblich.
Am 26. September schrieb ich einen meiner üblichen Briefe an Kreisky und berichtete ihm vertraulich über das erste Gespräch mit Sartawi und den guten Eindruck, den er auf meine Freunde gemacht hatte. Dabei ging ich auf einen seiner Briefe an mich ein. Er hatte im Zusammenhang mit der Lage im Libanon und dem syrischen Feldzug gegen die PLO-Truppen mit dem Schiller-Zitat "zurück, du rettest den Freund nicht mehr" geschrieben, die PLO sei vielleicht nicht mehr zu retten. Es war eins der Blitzurteile, zu denen Kreisky manchmal neigte, und in seinem nächsten Brief vier Tage später versprach er, die Beziehungen der österreichischen Regierung zur PLO zu verstärken.
Das war der Hintergrund des Gesprächs, das ich am 1. Dezember mit ihm führte, zwei Tage nach meinem letzten Gespräch mit Abu Faisal in Paris. Ich trug ihm die Idee einer internationalen Initiative unter seinem und anderen Namen von Weltrang vor, die er zu prüfen versprach.
Als Köder schilderte ich ihm Sartawi in glühenden Worten. Ich wußte, daß Kreisky immer begierig war, interessante Menschen kennenzulernen. Und wirklich, er sagte: "Hören Sie, Uri, schicken Sie mir doch einfach den Mann. Ich würde gern mal mit einem wirklich aufrechten PLO-Mann reden und mir selbst ein Bild machen. Vereinbaren Sie das mit Margit."
Margit Schmidt, seine vertraute und ergebene Sekretärin, war ein weiteres Glied in der Kette, die Kreisky und mich verband; sie bot die Gewähr, daß meine Mitteilungen an den Kanzler immer in Minutenschnelle durchkamen.