Es war ein angenehmes Essen. Lange bevor wir uns kennenlemten, hatte Lanc mein Buch gelesen, das Der Spiegel in Deutschland als Serie abgedruckt hatte, und deshalb wußte er eine Menge über mich und meine Ansichten. Wir fanden schnell zu einer gemeinsamen Sprache.
Aber in den langen Stunden, die wir in Issams kleinem Hotelzimmer verbrachten, beschäftigte uns ein viel praktischeres Problem. Die Abu Nidal-Gruppe hatte den Wiener Heinz Nittel, einen jüdischen Funktionär, ermordet. Im Anschluß daran wurden zwei Abu Nidal-Terroristen bei ihrer Ankunft auf dem Wiener Flughafen festgenommen. Die österreichische Polizei hatte über Sartawi enge Beziehungen zu den Sicherheitsdiensten der Fatah geknüpft, eine Zusammenarbeit, die von Syrien ausgehende Mordanschläge gegen Kreisky und andere Terrorakte verhindern sollte.
Als die beiden Terroristen in Haft waren, wurde Sartawi inoffiziell hinzugezogen, um bei ihrer Vernehmung zu helfen, und durfte auch unter vier Augen mit ihnen sprechen. Als das bekannt wurde, verursachte es in Österreich einen ziemlichen Wirbel.
Sartawi, der die furchtbare Gefahr der Abu Nidal-Gruppe und der dahinterstehenden Geheimdienste kannte, erregte sich über die schwerfälligen Verfahren der österreichischen Strafverfolgungsbehörden. Einmal rief er: "Übergebt mir diese beiden Bastarde nur für eine Stunde, und ich sage euch, wer sie hergeschickt hat, von wem sie ihre Waffen gekriegt haben, alles!" Mit einer hilflosen Geste wandte Lanc sich an mich und sagte: "Bitte, Herr Avnery, erklären Sie ihrem Freund, daß solche Methoden in Österreich nicht akzeptiert werden."
Doch durch geduldige polizeiliche Kleinarbeit, Austausch von Informationen mit anderen europäischen Polizeistellen, Vergleich von Geschossen etc., begann sich ein Bild herauszukristallisieren. Es stand zweifelsfrei fest, daß unter dem Etikett Abu Nidal eine gut organisierte, gut ausgerüstete, gut ausgebildete und gut finanzierte Organisation in ganz Europa operierte, zweifellos mit Hilfe der Geheimdienste mindestens eines Araberstaates, wenn nicht mehrerer.
Und wer ist Abu Nidal?
Issam gab mir mehrere Stunden lang einen Abriß des Mannes und seiner Organisation und fragte mich in verschiedenen Punkten um Rat.
Sabri al-Banna, Abu Nidal ("Vater des Kampfes") genannt, ist ein FatahVeteran. Ich hatte von ihm zum ersten Mal durch Sabri Jiryes gehört, bei meinem ersten Treffen mit Sartawi. Nach Jiryes' Darstellung war Abu Nidal der offizielle PLO-Vertreter in Bagdad gewesen. Dort war er zu den Irakern übergelaufen und deren Agent gegen die Fatahführung geworden. Damals waren die Iraker die radikalsten der arabischen Radikalen und kämpften aktiv gegen die neue, gemäßigte Linie der Fatahführung.
Als Flüchtling aus Palästina hatte al-Banna in Saudi Arabien als Diener