Zwischen den Telefongesprächen setzten wir das Bild der Konspiration zusammen, die zum Krieg geführt hatte. Zum ersten Male erzählte mir Issam die ganze Geschichte seiner Bemühungen in den letzten Monaten, eine Annäherung zwischen Amerikanern und PLO zustandezubringen. Er war ganz sicher, daß der amerikanische Außenminister Alexander Haig ihn ausgetrickst hatte. Haig habe gewußt, daß Sartawi im Begriff stand, namens der PLO eine historische Erklärung abzugeben und die amerikanischen Bedingungen zu erfüllen, wie mit den Tunesiern vereinbart, und Haig habe Scharon veranlaßt, ein paar Tage vorher anzugreifen. Wenige Tage später sollte Issam die Erklärung in dem französischen Institut abgeben, aber nun würde ihre Wirkung natürlich im Lärm des Krieges untergehen. Und Arafat, der eingekesselt in Beirut saß und um sein Leben kämpfte, war auch gar nicht in der Lage, eine solche Erklärung wie vorgesehen zu genehmigen.
Vor allem bemühten wir uns, den Lauf der Ereignisse zu entwirren, die zum Krieg geführt hatten. Issam kamen dabei seine ausgedehnten Nachforschungen nach Abu Nidal und seiner Bande gut zustatten. Gemeinsam gelang es uns, eine plausible Theorie zusammenzusetzen. Als ich sie etwa anderthalb Jahre später Arafat vortrug, stimmte er voll mit ihr überein und fügte sogar noch ein paar Dinge hinzu, die sie bestätigten.
Es gab überhaupt keine Zweifel: Wer immer den Befehl zu der Schießerei in London gab, tat es in der Absicht, den Ausbruch des Krieges zu provozieren. Die Frage war nur: Wer tat es und warum?
Eins war absolut sicher: Die Schüsse hatten Abu Nidals Leute abgegeben. Die Londoner Polizei hatte die Täter und ihre Helfer innerhalb weniger Stunden fassen können und hatte festgestellt, daß sie alle der Abu Nidal-Organisation angehörten. Einer von ihnen war Abu Nidals Neffe Marwan al-Banna.
Das erste, was auffiel, war die Tatsache, daß dieses Unternehmen so dilettantisch ausgeführt wurde, wie es für Abu Nidal ganz untypisch war. Normalerweise werden Killer aus dem Ausland mit Hilfe von Diplomatenpässen eingeflogen, erledigen ihren Auftrag und verschwinden sofort wieder. Alles einschließlich des Fluchtweges wird im Voraus peinlich genau geplant.
Nichts dergleichen geschah in London. Die Täter wurden gefaßt, ihre Helfershelfer leicht gefunden. Es war eine Dummheit, sich eines nahen Verwandten des Führers zu bedienen, noch dazu in Anbetracht der Tatsache, daß der Neffe kein ausgebildeter Terrorist war, sondern ein Student, den sein Onkel auf Kosten der Organisation nach England geschickt hatte, damit er dort sein Studium abschloß. Er war alles andere als ein Terrorist in der Maske des Studenten, ja, in Wahrheit war er ein Student in der Maske des Terroristen. Es war offensichtlich, daß man unannehmbare Risiken auf sich genommen hatte, um in großer Hast diesen Anschlag auszuführen. Das läßt darauf schließen, daß ein Termin gesetzt war. Warum?