eine Neuauflage der Belagerung Beiruts, bei der die Syrer nun offen den Platz der israelischen Armee einnahmen. Aber die israelische Seite des syrischisraelischen Zusammenspiels verflüchtigte sich nicht etwa. Während die Syrer und ihre Handlanger die Palästinenser zu Lande belagerten und sie des verräterischen Plans bezichtigten, Frieden mit Israel zu schließen, sorgte die israelische Marine zu Wasser für die Blockade der Palästinenser.
In Israel herrschte großer Jubel. Sämtliche Medien berichteten, daß Arafat nun endgültig erledigt, die PLO vernichtet und nichts als eine Handvoll Extremisten übrig sei, die sich der Aufgabe geweiht hätten, Israel auszuradieren. Das war das Bild, das aufeinanderfolgende israelische Regierungen entgegen allen Zeugnissen des Gegenteils jahrelang zu bewahren strebten, um eine Situation zu vermeiden, in der Israel zu Verhandlungen über die Rückgabe der besetzten Gebiete aufgefordert werden könnte.
Deshalb waren die Israelis empört und sogar einige meiner Freunde verblüfft, als ich noch in der ersten Woche der Belagerung von Tripoli in einem Artikel die Schlacht analysierte und unzweideutig feststellte, daß Arafat einen weiteren großen Sieg errungen hätte. Manche meinten, jetzt hätte ich endgültig den Verstand verloren. Drei oder vier Wochen später jedoch dämmerte es den meisten Israelis, daß mit den ersten Voraussagen etwas nicht gestimmt haben mußte. Täglich sahen sie im israelischen Fernsehen Arafat und Abu Jihad, die im Angesicht des massiven Angriffs lächelten und Zuversicht ausstrahlten. Meine Analyse stützte sich auf die mir bekannten Fakten. Ich hatte die PLO-Truppen im belagerten Beirut erlebt und konnte sie mir mühelos im belagerten Tripoli vorstellen. Ich wußte, daß die syrische Armee davor zurückschrecken würde, in eine befestigte Stadt einzudringen und sich im Häuserkampf durchzuschlagen, und zwar aus eben dem Grunde, der sogar einen Menschen wie Ariel Scharon davon abgehalten hatte, nach Westbeirut einzudringen. Eine arabische Großstadt anzugreifen, der Feindseligkeit der sunnitischen Bevölkerung gegenüberzutreten, dem entschlossenen Widerstand einer besonders gut auf den Straßenkampf eingestellten Streitmacht zu begegnen - das waren Aussichten, auf die ein vorsichtiger Mann wie Hafez al-Assad sich nicht einlassen konnte. Nachdem ihm ein Überraschungssieg in den ersten zwei bis drei Tagen nicht gelungen war, blieb er zwangsläufig in unschlüssigen Scharmützeln stecken. Das alles lag doch auf der Hand, wenn man die Fakten kannte (die fast alle westlichen Beobachter nicht kannten) und wenn man sich seine Urteilskraft nicht durch Vorurteile und Wunschdenken vernebeln ließ (was bei allen israelischen Beobachtern der Fall war).
Die Belagerung Tripolis, das Überleben Arafats und sein Auszug mit seiner unversehrten Truppe aus einer scheinbar hoffnungslosen Falle wirkte sich tiefgreifend auf die palästinensische wie die israelische Öffentlichkeit aus. In Gesprächen mit Palästinensern in den Städten und Flüchtlingslagern der West Bank stellte ich fest, daß die Unterstützung für Arafat jetzt praktisch