Wieder in Tunis

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Abu Faisal war verschwunden.

Vor etwa einer Stunde hatten wir auf dem Balkon meines Hotelzimmers in der Sonne gesessen und auf die Bucht von Tunis hinuntergeblickt, als das Telefon klingelte. Abu Faisal war drangegangen und dann einfach verschwunden, ohne ein Wort.

Nach einer halben Stunde wurde es ungemütlich. Nach einer Stunde ohne jedes Zeichen von Abu Faisal begannen wir uns Sorgen zu machen.

Am frühen Vormittag hatten wir Gerüchte gehört, daß gegen den Chef der tunesischen Sicherheitsdienste Anklage erhoben worden sei. Ging in diesem Land etwas vor, von dem wir nichts wußten?

Es dämmerte uns, daß wir uns in einer höchst prekären Lage befanden. Da saßen wir in einem arabischen Land, ohne Pässe, ohne jede Verbindung, ohne jemanden zu kennen außer Abu Faisal, und Abu Faisal war verschwunden. "Vielleicht hat es einen Staatsstreich gegeben", rätselte Matti nicht gerade beruhigend.

Ich fing an, im Geiste einen Bericht zu schreiben. Es hatte einen Staatsstreich gegeben. Die tunesischen Sicherheitsoffiziere, die uns am Flughafen abgeholt hatten, waren als Verräter ins Gefängnis geworfen worden. Militärs hatten die Regierung übernommen und die bisherige Regierung beschuldigt, im Solde der Imperialisten und Zionisten gestanden zu haben. Jetzt konnten wir jeden Augenblick festgenommen werden, bestätigten wir doch mit unserer bloßen Anwesenheit die Perfidie der bisherigen Herren. Ein israelischer General, ein israelischer Politiker und ein hoher israelischer Beamter hielten sich illegal auf tunesischem Boden auf-war das nicht der perfekte Beweis für die Verschwörung zwischen den Verrätern, dem israelischen Mossad und Yassir Arafat? Als ich Matti und Jakob diese Geschichte erzählte, hatte ich das Gefühl, daß sie sie nicht recht zu schätzen wußten. Deshalb erfand ich eine andere Geschichte, mehr im Stil Kafkas. Abu Faisal ist einfach verschwunden. Keiner kommt und spricht mit uns. Wir bleiben im Hotel, genießen die Mahlzeiten, spazieren über den Strand. Niemand fragt uns etwas, niemand verlangt etwas von uns. Wir sind da und doch nicht da in einem Land, in dem wir keinen Menschen kennen, wo wir niemanden anrufen können, wo wir das Hotel nicht verlassen können, weil wir keine Papiere haben. Und das geht einfach immer so weiter.

Nach einer weiteren halben Stunde taucht Abu Faisal wieder auf, lächelt zufrieden und sagt: "Schön, alles ist in Ordnung", ohne jedes Verständnis für

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