Ein palästinensischer Diplomat meinte einmal: "Die Kluft zwischen den beiden Seiten bleibt unverändert. Je mehr wir uns mäßigen, um so extremer werden die Israelis." Er hatte nicht unrecht.

Gerade jetzt erreicht die Unversöhnlichkeit der israelischen Regierung neue Höhepunkte. Es besteht ein absolutes israelisches Veto gegen alle Verhandlungen mit den wirklichen Repräsentanten des palästinensischen Volkes, nicht nur gegen Verhandlungen Israels, sondern auch gegen Verhandlungen der USA. Der Friedensprozeß, über den so viel geredet wird, ist vollends zum Stillstand gekommen. In der - nicht unberechtigten - Angst, der Friedensprozeß werde zu einem Palästinenserstaat in den Gebieten führen, die jetzt von der Regierung der nationalen Einheit judaisiert werden, versucht die Regierung, diesen Prozeß gleich am Anfang aufzuhalten.

Da sie die Bedeutung unseres Dialoges erkennt, macht diese Regierung uns ein gefährliches Kompliment. Ein neues Gesetz, das alles, was wir in den letzten zehn Jahren getan haben, zum Verbrechen macht, wird uns wahrscheinlich ins Gefängnis bringen. Gespräche für den Frieden sind jetzt ein Verbrechen. Gespräche für den Krieg bleiben eine Tugend.

Gleichzeitig hat die Knesset ein Gesetz beschlossen, das dazu bestimmt ist, Araber an der Mitwirkung in der israelischen Demokratie zu hindern. Unter dem Vorwand, den Rassismus zu bekämpfen, bestimmt dieses Gesetz, daß keine Kandidatenliste zur Wahl zugelassen wird, wenn sie bestreitet, daß "Israel der Staat des jüdischen Volkes ist". Eine philosophische und historische Frage - Wer ist Jude? Gibt es ein jüdisches Volk? - ist durch Gesetz in die Forderung eines ideologischen Bekenntnisses verwandelt worden, was einen an mittelalterliche Zeiten erinnert. Die Existenz von 700.000 Palästinensern, die vollgültige Staatsbürger Israels sind, wird in dem Gesetz nicht erwähnt. Es verlangt schlicht, daß sie ihrer Teilhabe an diesem Staat abschwören.

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Dieses Buch will keine Schuld zuteilen, auch wenn es mir manchmal schwerfällt, davon Abstand zu nehmen. Schließlich wurden so viele Gelegenheiten verpaßt, so viele Menschen getötet - zweifellos muß dafür jemand verantwortlich sein.

Aber wir befassen uns hier mit einem historischen Prozeß. Beide Seiten sind Gefangene ihrer Geschichte, ihrer Traumata. Die Juden mit ihrer langen Geschichte der Verfolgungen, mit ihren Erinnerungen an den Holocaust, ihrer daraus folgenden Sehnsucht nach absoluter Sicherheit, mit ihrem ungelösten Verhältnis zu den Nichtjuden, mit ihrer Religion haben es genauso schwer, der Realität rational entgegenzutreten wie die Palästinenser in ihren Kümmernissen, ihren Demütigungen und ihrem abgrundtiefen Gefühl des

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