Am 1. Januar 1988 saß ich am Strand von Tel Aviv und dachte an Issam.
Heute wäre er 54 geworden, wenn er noch lebte, ein Mann in den besten Jahren also und im Vollbesitz seiner Kräfte. Alle halbe Stunde brachte der Rundfunk Nachrichten über die Ereignisse in der West Bank und im GazaStreifen. Der 1. Januar ist ein Gedenktag der PLO - nicht ihr Gründungstag, sondern der Tag, an dem sie im Jahre 1956 ihren ersten Angriff unternahm. Nie zuvor hatte dieser Tag so hektische Vorbereitungen im Lande ausgelöst wie diesmal. Es herrschte Vorkriegsstimmung. In den besetzten Gebieten wurden Truppen zusammengezogen. Über ihnen kreisten Flugzeuge und Helikopter. Vorbeugend wurden Hunderte von Menschen verhaftet. Das ganze Land hielt den Atem an: Wird etwas passieren oder nicht?
Diese Atmosphäre gespannter Erwartung war entstanden, weil drei Wochen zuvor der israelisch-palästinensische Konflikt in einer Kette von Ereignissen plötzlich aufgebrochen war. In Gaza hatte es einen Verkehrsunfall gegeben einen Zusammenstoß zwischen einem israelischen Lastwagen und einem arabischen Auto -, und er löste unerwartet eine Explosion aus. Darauf war nicht einmal der berühmte israelische Sicherheitsdienst vorbereitet. Es war eine spontane Reaktion, die so anhaltend und so heftig war, daß sie erschreckte. Zwei Wochen lang tobten die Unruhen, zunächst im Gaza-Streifen, dann auch in der West Bank. Auf ihrem Höhepunkt griffen sie auch auf die palästinensischen Staatsbürger Israels über. Als das Getümmel sich legte, gab es unter den Bewohnern der besetzten Gebiete 22 Tote, zumeist Kinder und Jugendliche; Hunderte waren verletzt, mehr als tausend Menschen festgenommen worden. Die israelischen Soldaten hatten nicht einen Verwundeten zu beklagen.
Tag für Tag gab es Hunderte von Zwischenfällen. Jugendliche errichteten Straßensperren, verbrannten Autoreifen und griffen Soldaten direkt an. Jedesmal behaupteten die Soldaten hinterher, sie hätten sich gezwungen gesehen, scharf zu schießen und Menschen zu töten, um ihr eigenes Leben zu retten, obwohl sie es mit waffenlosen Jugendlichen zu tun hatten, die Steine und selbstgebastelte Brandsätze warfen. Daraus wird deutlich, daß sich in Hunderten von Fällen junge Palästinenser in nächste Nähe der Soldaten wagten, daß sie vor Tränengasbomben und Gummigeschossen nicht wichen und daß sie auch nicht davonliefen, als über ihre Köpfe hinweg und auf ihre Beine gezielt geschossen wurde.