nicht nur in Religion und Hebräisch, sondern auch in Deutsch, Rechnen und was man sonst damals noch lernte. Meine Großmutter war offenbar ziemlich orthodox. Sie hatte wohl eine koschere Küche, denn meine Mutter hat sich in diesem Punkt nicht mit ihr verstanden. Meine Mutter war nämlich total unreligiös und kümmerte sich um solche Sachen nicht so sehr. Meine Großmutter hatte einmal entdeckt, daß meine Mutter dieselben Teller für Fleisch und Milch benutzt hat, was in der jüdischen Religion verboten ist.
Mein Vater ist sehr früh zum Bankgeschäft gekommen. Er war in Hannover schon als junger Mann für eine Bank an der Börse tätig. Dann hat er ein Bankgeschäft in Beckum aufgemacht; ganz alte Beckumer erinnern sich noch daran. Als ich ein Jahr alt war, ist meine Familie scheinbar auf Drängen meiner Mutter nach Hannover gezogen, in eine Großstadt. Ich glaube, Beckum war für meine Mutter zu eng. Sie wollte tanzen und so.
In Hannover lebte ich von 1924 bis 1933, ging auf die Volksschule, dann ins Kaiserin-Auguste-Victoria-Gymnasium. Das war katholisch. Ich wurde dort hingeschickt, weil mein Vater glaubte, in Hannover gäbe es wegen der geringen Anzahl an Katholiken weniger Antisemitismus als an anderen Schulen. Dort lernte ich den katholischen Schüler Rudolf Augstein kennen. Wir waren in derselben Klasse, beim selben Ordinarius und haben so die letzten Jahre der Weimarer Republik und das erste halbe Jahr des Tausendjährigen Reiches als Kind erlebt. Für meine Familie waren das sehr politische Zeiten. Wir waren ganz in die Politik versunken. Es war klar, daß es um unser eigenes Schicksal ging. Und so war Politik neben Musik bei uns zu Hause das Hauptthema.