wertet und einen Kult daraus gemacht. Die Israelis von heute reden ja immer nur von Vernichtung und Heldentum, als ob das gleichwertig gewesen wäre, als ob die anderen Juden keine Helden gewesen wären. Es hat sich sehr langsam eine neue Bewertung durchgesetzt. Eigentlich fing es mit dem Eichmann-Prozeß an, als man zum ersten Mal realisierte, was da wirklich passiert war und die Welt tagelang die schrecklichen Aussagen mit anhörte und sich vorstellen konnte, wie die Leute gelebt haben, wie sie in den Tod gegangen sind. Dann kamen die ersten überlebenden Opfer bei uns in Palästina an. Sie wollten nicht darüber reden, sie wollten auch nichts davon hören. Ich hatte in meiner Kompagnie einen jungen Soldaten, der aus Polen kam, unmittelbar nach dem Weltkrieg. Er war fast noch ein Kind; wir hatten ihn alle furchtbar gerne. Ich schrieb sogar eine Geschichte über ihn in meinem Buch. Viele, viele Jahre später gab es ein Kompagnietreffen - wir treffen uns ja manchmal alle paar Jahre -, da brach es plötzlich aus ihm heraus: "Ihr wißt gar nicht, was ihr mir angetan habt. Ihr wolltet nicht hören, was mir passiert ist, was ich im KZ erlebt habe. Ihr habt mich verachtet, ich gehörte nicht dazu. Ich habe jeden Augenblick gefühlt, daß ich nicht wirklich zu euch gehöre." Wir waren entsetzt. Wir hatten bis dahin überhaupt nicht darüber nachgedacht; wir entschuldigten uns sofort bei ihm. Aber das war allgemein die Situation in dieser Zeit.
Natürlich kamen damals massenhaft Menschen mit Nummern auf den Armen. Dennoch erfuhr man manchmal erst sehr spät, daß jemand im KZ gewesen war - das ist wahrscheinlich schwer verständlich. Ich hatte einen Bekannten, einen Journalisten, den ich viele Jahre kann¬