und nicht in Holland. Das hat heute noch einen ungeheuren Einfluß, und ich frage mich, ob das so gesund ist. In einer Rede, die ich auf einem Elias-Canetti-Kongreß hielt, versuchte ich, das weiter zu erklären: Man tut es, weil man glaubt, daß wir, wenn wir den Holocaust und seine Opfer vergessen, einfach das erfüllen, was Hitler wollte, nämlich die Juden zu vernichten. Das wäre eine zweite Vernichtung; deshalb muß das Geschehene immer wieder erwähnt und daran erinnert werden.

Diese Einstellung führt aber auch dazu, daß eine Weltanschauung entsteht-Weltanschauung im buchstäblichen Sinne des Wortes -, die auch schon vor dem Holocaust bestanden hat, aber danach bei weitem verstärkt wurde, nämlich, daß die ganze Welt die Juden umbringen will, daß wir in einer feindlichen Welt leben, daß praktisch alle Nichtjuden nur im Kopf haben, die Juden zu vernichten. Jüdische Geschichte, wie sie bei uns gelehrt wird, ist ja eine Geschichte von Verfolgungen, Pogromen und Vertreibungen. Und man lehrt bei uns in gewissen Schulen überhaupt nur das über die Weltgeschichte. Das heißt, was weiß man über Spanien? Daß dort im Jahre 1492 die Juden vertrieben wurden. Was weiß man über Deutschland? Daß dort während der Kreuzzüge und während des Schwarzen Todes die Juden vertrieben wurden. Was weiß man über Rußland? Daß es dort Pogrome gab. Auf diese Weise bekommt man langsam ein Bild, das sehr gefährlich ist, weil man mit einem solchen Weltbild nicht normal mit anderen Völkern Zusammenleben kann. Denn wenn alle Völker uns umbringen wollen, wie kann man da Frieden schließen? Begin hat das ja ganz bewußt kultiviert, indem er Arafat einen zweiten Hitler nannte und

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