mer, nicht jeden Monat, nicht jedes Jahr; wir gingen, wenn es ruhig war. Und die Araber kamen auch zu uns. Mal kam ein Intelektueller, um Bücher zu tauschen, mal eine Araberin, um Datteln oder Eier zu verkaufen. Heute gibt es das nicht mehr. Es gibt keinen Eierverkauf mehr, niemand verkauft mehr irgend etwas. Niemand kommt mehr in unsere Straße in Jerusalem. Selbst zwischen den Haredim und den Säkularen ist die Stadt stärker geteilt. Ganz Jerusalem ist noch stärker gespalten - das ist eine Tatsache.
Kürzlich sah ich eine Szene, die sich mir eingeprägt hat: Drei Mädchen standen zusammen an einer Straße und unterhielten sich über irgend etwas. Ich weiß nicht über was, ich beobachtete sie aus der Ferne. Ein Mädchen war sehr traditionell gekleidet, eine gläubige Moslemin. Die beiden anderen trugen ein elegantes Kleid beziehungsweise nur Jeans. In Jerusalem würden solche drei Mädchen schon nicht mehr miteinander reden. Selbst dann nicht, wenn sie alle drei Jüdinnen wären. Sie hätten sich nichts zu sagen. Daraus wird deutlich, daß Jerusalem bereits heute eine geteilte Stadt ist. Der formale Status der Stadt ändert an dieser Tatsache nichts.
Es kann sein, daß so etwas jemanden, der nach Abstraktionen lebt, für den Jerusalem irgendeine Formel ist, nicht stört. Jemand, der in Jerusalem lebt und den es überhaupt nicht interessiert, was um ihn herum passiert, stört es vielleicht ebenfalls nicht. Seine Formel ist in Ordnung und die Stadt vereinigt. Auch jemanden von außerhalb stört es vielleicht nicht, was er in einem bestimmten Moment von der geteilten Stadt sieht. Wenn die Stadt allerdings richtig getrennt wird, gibt es auch das Verlustgefühl. Sollte die Stadt tatsächlich geteilt werden, dann wäre die Trennung gravierender, hermetischer, weniger dialogisch - auch weniger dialogisch als in den vierziger Jahren. Dabei idealisiere ich die vierziger Jahre nicht; auch damals gab es Dinge, die mich gestört haben. Aber heute ist die Teilung stärker.