Vergewaltigung in der Architektur. Ja, es gab früher erotische Architektur in Jerusalem, aber seit 1967 ist das eine Erotik der Vergewaltigung: erobern und besetzen, überall.
Nun, Sie wohnen ja nicht mehr in Jerusalem.
Nein, ich kann es nicht. Ich bringe es nicht fertig. Heute könnte ich jedenfalls nicht in Jerusalem wohnen. Würden alle Jerusalemer in einer Umfrage beschließen, eine gemeinsame Stadt zu wollen - eine pluralistische -, und würden sie außerdem die einzelnen Bereiche so schützen, daß die Pluralität gesichert ist und Jerusalem dann wieder ein Mosaik, ein Kaleidoskop aus mehreren kulturellen Autonomien würde, dann würde es mich wieder interessieren, dort zu leben. In einem dieser autonomen Stadtviertel könnte ich meine Nische finden, und die anderen würde ich besuchen, um dort Leute zu treffen, Verbindungen mit ihnen herzustellen, mit ihnen zu sprechen. Wenn Jerusalem aber ein Ort des Miteinander-Ringens ohne Schiedsrichter bleibt, will ich dort nicht meine Kinder groß ziehen, nicht bei diesem Ringen und Tod.
Was umfaßt den Mythos von Jerusalem heute eigentlich ? Ich denke, es gibt nicht mehr nur einen Mythos, sondern es ist bereits ein Mythos vom Mythos entstanden. Das ist wohl das komplizierteste an Jerusalem. Der Mythos verschlimmert die Sache zusätzlich.
In der israelischen Politik gibt es so eine Art "Statut der Treue". Jemand, der mit den Palästinensern verhandeln will, muß die Hand auf einen Stein von Jerusalem legen und schwören, daß er Jerusalem treu bleiben wird. Ohne dies kann er nicht sagen, daß er auf die Golanhöhen verzichten wird oder daß Israel ohne Bethlehem und Hebron auskommen kann. Jerusalem ist somit wie ein "Stein der Treue". Und dies aus Grün¬