Als Israel im Junikrieg 1967 die Altstadt von Jerusalem besetzte, waren Sie zwölf Jahre alt. Haben Sie noch Erinnerungen an Jerusalem und die Altstadt vor der Besetzung?
Es gibt viele Erinnerungen - ich habe meine Kindheit in der Altstadt verbracht. In diesen zwölf Jahren haben wir so intensiv gelebt, daß man solche Erfahrungen nie vergißt. Unser Leben, unsere Welt als Stadtkinder war absolut begrenzt von Mauern. Alles außerhalb der Mauern interessierte uns nicht. Als Kinder wußten wir nichts über den israelischen Teil; wir wußten nur etwas von der arabischen Stadt. Was außerhalb der Mauern war, war eine andere Welt für uns. Wir hatten mehr oder weniger alles innerhalb der Stadt. Die alten Straßen waren für uns die Spielplätze, und die Stadt gab uns ungeheuer viele Möglichkeiten. Wir konnten zum Beispiel spätabends und nachts innerhalb des Souks umherlaufen und spielen. Unsere Familien hatten keine Angst um uns - es konnte nichts passieren. Es gab keine Autos, keine Soldaten; es herrschte wirklich absolute Ruhe. Die Altstadt war sehr lebendig, besonders während der Feiertage, und es gab viele christliche und muslimische Feiertage, so daß immer etwas los war. Das Nachtleben war ein Teil von Jerusalem. Wenn ich das mit dem heutigen Jerusalem vergleiche, so ist das eine absolut tote Stadt.
Mein Vater hatte ein Geschäft in der Altstadt - er ist bis heute Gewürzhändler -, und er kam immer so gegen zehn Uhr nachts nach Hause. Die Basare und Souks waren offen bis zehn, zwölf Uhr nachts und an Feiertagen, Ramadan zum Beispiel, waren die Geschäfte nie geschlossen; sie waren die ganze Nacht offen. Es gab sehr viele Pilger, die während des Ramadan nach Jerusalem kamen, viele verschiedene Farben und Gesichter. Nach dem Ramadan verschwanden sie wieder, und an Ostern kamen andere Pilger: Kopten aus Ägypten und orthodoxe Christen aus Zypern, Griechenland und so weiter. Sie kamen jedoch nicht wie die heutigen Touristen,