Zersplitterung dieser Stadt, daß jeder zu sagen weiß, wer er nicht ist, aber nicht, wer er ist. Denn wenn jemand sagt, wer er ist, muß er auch erklären, warum. Die Regierenden werden das schon machen. Selbst die Feierlichkeiten interessieren meiner Meinung nach nicht viele. Es sind Feiern der Regierenden. Sie haben keine große Bedeutung. Ich behaupte sogar, daß die Israelis es nicht mehr nötig haben, Geschichte zu fabrizieren. Sie stimmen einer Geschichte zu, die man als "neutral" bezeichnen könnte. Was mich dabei aber stört, ist nicht der Versuch, es zu verinnerlichen, sondern daß es einen Widerstand dagegen gibt, der so tut, als ob er dafür sorgen würde, daß die Idee von einem vereinten Jerusalem sich durchsetzt - doch in Wirklichkeit erreicht er das Gegenteil, genau das Gegenteil. Ich habe übrigens auch Probleme damit, wenn die Araber behaupten, Jerusalem sei ja in Wahrheit 5000 Jahre alt. Uri Avnery veranstaltete einmal eine Diskussionsveranstaltung, und jemand erzählte etwas über "5000 Jahre Jerusalem". Ich sagte: "Leute, warum beschäftigt Ihr Euch mit so etwas? 5000 Jahre - das ist doch Unfug." Die Araber regten sich auf, aber ich fragte sie, was das alles ändere. Ich sagte, daß alle diese Dinge nur ein Ziel verfolgten, nämlich die Identität der Menschen zu stärken, und wenn die Identität so klein sei, daß sie solch eine Stütze brauche, dann täte es mir leid.
Wird es überhaupt jemals eine Lösung für die Jerusalemfrage geben, und wie soll sie aussehen?
Ich glaube grundsätzlich nicht an Lösungen. Für das Leben gibt es keine "Lösung". Das Leben ist nur ein Prozeß. Wenn im Falle Jerusalem jemand von einer Lösung spricht, muß man genau prüfen, was er damit meint. Er will keine Lösung, er hat nur eine Antwort - und die will er bestärken.