Die Christen waren übrigens auch anderswo am Erwachen des Nationalismus beteiligt; sie sind am Beginn einer Veränderung, am Anfang einer Geburt, stets präsent. So ist das auch jetzt in Palästina, wo sie in einer neuen Situation Impulse geben. Aber wenn die neue Situation einmal da ist und geformt wird, werden sie von der zahlenmäßigen Übermacht allmählich ins Abseits gedrängt. Ihre Zahl ist klein - sie sind allerdings keine Minderheit, sagen wir Christen und Moslems; denn wenn man als Minderheit gilt, bedeutet das, nicht zur Mehrheitsgesellschaft zu gehören. Wir sind also keine Minderheit, auch wenn unsere Zahl gering ist. Die Regel im Spiel zwischen großen und kleinen Zahlen ist aber, daß die zahlenmäßig stärkere Gruppe stets präsenter ist als die schwächere. Und daher ist es für die Christen zur Regel geworden, daß sie nach dem Beginn einer neuer Entwicklung allmählich in die zweite Reihe zurücktreten, manchmal ganz still und leise. In Jordanien sind die Christen durchaus präsent. Sie sind im Parlament, in den politischen Parteien, in den Medien vertreten; es handelt sich allerdings um eine sehr zurückhaltende Präsenz.
Könnte das Modell, das bei den palästinensischen Wahlen im Januar 1996 angewendet wurde, das heißt, Sitze für Christen zu reservieren, eine Perspektive und ein Vorbild für eine dauerhafte Lösung darstellen, besonders etwa mit Blick auf den Libanon?
Nein. Der Libanon stellt wegen des ungefähren zahlenmäßigen Gleichgewichts einen Sonderfall dar. Wenn es ebenso viele Christen wie Moslems gibt, wer soll dann dominieren? Das ist ein weiterer wichtiger Unterschied. Allerdings ist in allen anderen arabischen Ländern die Situation vergleichbar, weil es um eine kleine Anzahl geht. Auch wo es in absoluten Zahlen viele sind, ist der Anteil der Christen gering.