nen, und kann so aktiv alternative Vorschläge machen. Uri Avnery behandelt die schwierigen Probleme von verschiedenen Standpunkten aus, versetzt sich in die Lage der anderen und erklärt von dieser Position aus, was machbar wäre.

Ich bildete mir ein, Uri Avnery zu kennen, doch als ich vor kurzem mehr über sein Leben erfuhr, war ich überrascht: Aus Deutschland entkam er 1933 mit seinen Eltern und Geschwistern rechtzeitig den Schrecken der Naziherrschaft - der Ausgrenzung, Vertreibung und Vernichtung der Juden in den Konzentrationslagern, wo er auch die meisten seiner Verwandten verlor. In Palästina fand er Zuflucht und suchte dort ein menschenwürdiges, auch für Juden sicheres Leben. Seine Geschichte sowie ihre Auswirkungen auf unsere Geschichte - sein Heimatfinden und unser Heimatverlust - dürfen nie vergessen werden. Wir müssen, genau wie er, versuchen, das geschehene Leid und Unrecht zu verstehen und anzuerkennen und die damit verbundene Verantwortung zu übernehmen. Das ist der Beginn der Versöhnung.

Uri Avnerys Kriegserlebnisse von 1948 und das Wissen um den Holocaust haben nicht nur sein Leben geprägt, sondern auch sein Gewissen sensibilisiert. So hat er bald erkannt, wie Israel dem palästinensischen Volk Unrecht angetan hat und weiterhin zufügt. Er handelt aus Sorge um beide Völker, um Israelis und Palästinenser. Er begreift, dass niemals ein Volk alle Rechte bekommen kann, das gleichzeitig einem anderen - durch Besatzung dieselben Rechte verweigert. Seine Zielvorstellung ist, in zwei Staaten nebeneinander frei, unabhängig und in Würde zu leben, miteinander wirtschaftlich und kulturell in Frieden und Sicherheit zu wachsen und Jerusalem als gemeinsame Hauptstadt miteinander zu teilen. Uri Avnerys unermüdliche Kreativität schafft Visionen für die Lösung der Gegensätze und sucht nach Konsensmöglichkeiten. Wie froh wäre ich mit ihm, wenn seine Regierung sich endlich seiner Sichtweise anschließen würde!

Uri Avnery ist außergewöhnlich mutig, konsequent, ja hartnäckig bei der Suche nach Wahrheit und nach Wegen der Verständigung; er ist seiner Friedensbotschaft seit Jahrzehnten treu geblieben. Mit Gush Shalom, dem Friedensblock, hat er nicht

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