Die Briten hatten das meiste Verständnis für den Zionismus und gaben den Zionisten 1917, 13 Jahre nach Herzls Tod, ihre Magna Charta - die Balfour-Erklärung, die 52 Jahre nach Erscheinen der Broschüre Der Judenstaat zur Errichtung des JudenStaates führte. Herzl, der mit 44 Jahren an einem Herzleiden starb, wäre zur Zeit der Staatsgründung 88 Jahre alt gewesen.
In Israel gibt es eine Stadt Herzliya, und auch alle anderen Städte haben Herzlstraßen und Herzlplätze. Nationalhelden, wie Yitzhak Rabin, werden auf dem Herzlberg zu Jerusalem beigesetzt. Viele Männer tragen den Vornamen Herzls, darunter auch Israels bekanntester Verbrecher. Herzls Bild ist der einzige Schmuck im Plenarsaal der Knesset, offiziell wird er als "Prophet des Staates" bezeichnet.
Ein Teil seiner Prophezeiung ging tatsächlich in einer unglaubliehen Weise in Erfüllung, doch hätte sich Herzl wohl über viele Aspekte des modernen Israel gewundert und geärgert. Offiziere und Rabbiner spielen im Staat eine gewaltige politische Rolle, obwohl er versprochen hatte, "die Offiziere in den Kasernen festzuhalten und die Rabbiner in den Synagogen". Fast jeder fünfte Israeli ist ein Araber, Hebräisch ist Alltagssprache, so gut wie keiner spricht Deutsch. Die intellektuelle Mode ist "postzionistisch", selbst der Begriff "Judenstaat" wird in Frage gestellt.
Herzl hatte sich vorgestellt, dass das ganze jüdische Volk organisiert nach Palästina übersiedeln sollte. Wer nicht mitgehen wollte, sollte bleiben, wo er war, und würde aufhören, Jude zu sein. So ist es nicht gekommen. Israel besteht und gedeiht, aber auf der ganzen Welt leben nach wie vor Juden, und viele Gemeinden blühen wie noch nie. Die Juden sind ein Weltvolk geblieben, obwohl in Israel eine neue Nation entstand.
Der Unterschied zwischen einem religiös-kulturellen Weltvolk und einer politischen Nation war Herzl nie klar. Ein Weltvolk wie die Juden überlebt durch Flucht - es zieht von einem Land in ein anderes, wenn die Lage zu brenzlig wird, von Toledo nach Smyrna oder Fez, von Mainz nach Krakau, von Krakau nach Wien. Darin besteht die Geschichte der Juden, und darum