Die Mauern von Jericho

Über Hass und Hoffnung von

Israelis und Palästinensern

27. Dezember 1993

Noch lange wird man sich dieses Moments erinnern: Yassir Arafat streckt seine Hand aus, Yitzhak Rabin ergreift sie nach einem kaum bemerkbaren Zögern. Wie ein Zauberer, dem es wieder einmal gelungen ist, das Kaninchen aus dem Zylinder zu ziehen, steht Bill Clinton hinter ihnen und drückt seine Hände sanft auf beider Rücken, damit die Versöhnungsgeste nicht in der letzten Sekunde stockt.

Rabins Gesicht zeigte nicht die strahlende Miene eines Friedensstifters, wie etwa der Südafrikaner Frederik Willem de Klerk bei der Verleihung des Friedensnobelpreises gemeinsam an ihn und Nelson Mandela. Israels Ministerpräsident sah mehr aus wie ein Patient, der grimmig entschlossen ist, eine übel schmeckende Medizin hinunterzuwürgen, weil er weiß, dass sie absolut notwendig ist. PLO-Chef Arafat, seit langem an dramatisehe Auftritte gewöhnt, wirkte weit selbstsicherer.

Beide waren sich an diesem Tag, dem 13. September 1993, bewusst, dass die symbolische Bedeutung des Augenblicks den politischen Aspekt bei weitem übertraf. Es war der Anfang vom Ende eines Konflikts, der vielleicht einzigartig in der Weltgeschichte ist. Nicht, weil er so lange gedauert hat. Man kann seinen Beginn auf das Jahr 1882 datieren, als die ersten protozionistischen Kolonisten nach Palästina kamen. (Sie nannten sich "Bilu" - das hebräische Akronym der Parole "Kinder Jakobs, lasst uns gehen!") Aber die Geschichte kennt ja auch andere hundertjährige Kriege. Nein, das Einzigartige an diesem Konflikt ist, dass es nicht zwischen zwei Staaten um ein Stück Boden ging wie seinerzeit zwischen Deutschland und Frankreich um Elsass-Loth-

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