Yitzhak Rabins Wandlung
vom Kriegs- zum Friedenshelden
13. November 1995
Vor unseren Augen entsteht ein Mythos. Yitzhak Rabin, ein Mensch, den ich kannte, mit dem ich viele Male diskutierte und Whisky trank, wird zu einem Überlebensgroßen Denkmal. Am Tatort versammelten sich kurz nach dem Mord am 4. November Tausende von Jugendlichen, für die bis dahin Popkonzerte wichtiger waren als irgendeine politische Betätigung. Sie saßen schweigend auf dem Boden, zündeten Gedächtniskerzen an, standen auf und wurden von anderen abgelöst, Tag für Tag, Nacht für Nacht. Auf alle Wände waren Liebesbekenntnisse an den Toten gekritzelt, naive Gedichte, kindliche Briefe und Zeichnungen geklebt.
Mehr als eine Million Menschen - jeder fünfte Israeli - kamen zum Friedhof in Jerusalem, um zu weinen und Blumen niederzulegen. Am Begräbnis nahmen Tausende von Würdenträgern aus der ganzen Welt teil - und fast alle, Präsidenten und Minister, Parlamentarier und Generäle, ein König und zwei Königinnen, wischten sich die Tränen aus dem Gesicht.
Ein neuer Rabin entsteht in diesem Gefühlsausbruch, vielleicht viele neue Rabins - denn jeder, der in diesen Tagen über ihn gesprochen und geschrieben hat, Professoren wie Abc-Schützen, stellt sich einen Rabin vor, der seiner eigenen Geisteswelt entspricht: den gütigen Vater seines Volkes, der den Tod jedes Einzelnen seiner Kinder beweinte; den Soldaten, der sein Leben für den Frieden gab; den Staatsmann, der ganzen Welt ein Vorbild; den sagenhaften Helden, auf dem Weg zum heiligen Ziel von frevelhafter Hand gefällt.