Und immer wieder taucht der Vergleich mit Moses auf: "Schaue das Land Kanaan ... Dann stirb auf dem Berge, auf den du hinaufgestiegen bist ... Denn du sollst das Land vor dir sehen, das ich den Israeliten gebe, aber du sollst nicht hineinkommen" (5 Mose 32). So hat Rabin, der neue biblische Prophet, die Kinder Israels bis zum Land des Friedens geführt, aber es war ihm nicht beschieden, den Jordan zu überschreiten und in dieses Land zu gelangen.
Warum hat gerade Rabin, im Augenblick seines Todes, solche übermenschlichen Dimensionen angenommen? Wie hat gerade dieser nüchterne, schüchterne, kontaktarme Mensch die inbrünstige Liebe von Millionen erweckt? Rabin selbst hatte für Symbole und Mythen nichts übrig.
Siebzig Jahre lang war Yitzhak Rabin ein Konformist, Mitglied einer Generation, die im Schatten ihrer großen Eltern, der legendären Helden der zionistischen Revolution, aufgewachsen war. Die Macht ihrer Ideologie, einer politischen und sozialen Religion, bestimmte seinen Lebenslauf. Und dann, scheinbar ganz plötzlich, betrat er einen ganz neuen Weg - und löste eine Revolution im Leben Israels aus.
Dreißig Tage vor seinem Tod, in seiner letzten Knessetrede zu Beginn der Debatte über das neue Abkommen mit den Palästmensern, sprach er einen schicksalsschweren Satz aus, der im Laufe der stürmischen Auseinandersetzung nicht beachtet wurde. Er bestand aus vier hebräischen Worten: "Wir kamen nicht in ein leeres Land!" Vier Worte, die ein hundert Jahre altes Dogma zerbrachen.
Es ist nämlich ein zionistischer Glaubensartikel, dass Palästina ein leeres Land war, als die moderne jüdische Einwanderung 1882 begann, und dass erst die Juden die Wüste zum Blühen brachten. Darauf gründet sich der Anspruch auf absolutes Recht Golda Meirs Diktum, es gebe keine Palästinenser, ebenso wie das ideologische Fundament der Siedlungen in den besetzten Gebieten. Daran glaubten auch Rabin und seine Generation von Jugend an.