Ariel Sharon: Eine Gebrauchsanweisung

22. März 2002

Nur sehr wenige Leute kennen Ariel Sharon wirklich. Ich glaube, ich gehöre zu ihnen. Seit 50 Jahren verfolge ich seinen Werdegang aus der Nähe. In den siebziger und achtziger Jahren habe ich drei lange biografische Studien über ihn geschrieben und dabei ausgedehnte Gespräche mit ihm geführt. Die Unkenntnis seines wahren Wesens hat in Israel und in der Welt zu gefährlichen Fehlschlüssen geführt. Ich werde hier versuchen, den wahren Sharon zu beschreiben.

Wo kommt er her?

Ariel Scheinermann, wie er ursprünglich hieß, wurde 1928 in der Genossenschaftssiedlung Kfar Malal, etwa 20 Kilometer nördlich von Tel Aviv, geboren. Sein Vater Samuel flüchtete im Ersten Weltkrieg von Brest-Litowsk nach Tiflis in Georgien; dort traf er die Medizinstudentin Vera und heiratete sie. Nach der bolschewistischen Revolution war er an geheimen zionistischen Aktivitäten beteiligt, wurde entdeckt und musste wieder flüchten. Vera, die keine Zionistin war, musste mit nach Palästina. Für die in der russischen Kultur groß gewordene verwöhnte Frau war das damalige Palästina eine öde Wüste. Ariel wuchs im Schatten einer verbitterten Frau auf, die mit allen Nachbarn zerstritten und von allen Menschen isoliert war.

Einer seiner stärksten Kindheitseindrücke hatte damit zu tun. Er fiel von einem Esel und zog sich eine tiefe Wunde am Kinn zu. Die Krankenkassenklinik war nebenan, aber Vera war mit ihr verkracht. Sie nahm das Kind in die Arme, rannte ein paar

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