Mit Ahmeds Augen gesehen

27. Juli 2002

Vor ein paar Jahren sagte Ehud Barak: "Wenn ich ein junger Palästinenser wäre, dann würde ich mich einer terroristischen Organisation anschließen." Eine interessante Aussage. Sie belegt, dass Barak einmal die Fähigkeit besaß, sich in die Lage von jemand anderem zu versetzen.

Mir fällt das leichter, da ich mich, als ich jung war, tatsächlich einer terroristischen Organisation angeschlossen hatte. Ich kann mich noch sehr gut an die Gefühle und Gedanken erinnern, die mich zu diesem Entschluss bewegten. Wenn ich heute voraussagen will, was die Araber morgen tun werden, wende ich die gleiche Methode an: Ich versuche, mich in die Perspektive eines jungen Arabers zu versetzen, so wie ein Schauspieler sich in die Rolle dessen einlebt, den er zu spielen vorgibt. Ich versuche zu fühlen, was er fühlt, und zu denken, was er denkt.

In der letzten Woche versetzte ich mich in die Position von Ahmed, einem 18-jährigen Studenten der Universität Irbid in Jordanien. Sein Großvater floh 1948 aus Jaffa, ließ sich im Haschemitischen Königreich Jordanien nieder und wurde reich. Der junge Mann studiert Physik. Was mag er nach der Bombardierung von Gaza gefühlt und gedacht haben?

Wie jeder andere sah auch Ahmed die grausigen Bilder über den Sender Al-Jazira - immer und immer wieder. Er wird wahrscheinlich nie mehr das dreijährige Kind vergessen, das vor der Kamera starb, um es herum eine Menge Arzte, die mit allen mögliehen Instrumenten sein Leben retten wollten; das Zittern der kleinen Glieder, das Zucken des Kopfes - und dann plötzliche Ruhe.

Ahmed sah die zertrümmerten Häuser, die Mütter, die Leichen auf den Tragbahren, die starren und hilflosen Gesichter der geschockten Nachbarn. Er fühlte mit ihnen. Dann bemäch¬

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