Zurück ins Ghetto

18. August 2002

Zwei Chassidim fuhren vom Schtetl nach Krakau. Der eine kam begeistert zurück: "Was für eine wunderbare Stadt! Voll von gottesfürchtigen Juden, Synagogen und Jeshives." Der zweite kam entsetzt zurück: "Sodom und Gomorrha! Eine Stadt voller Bordelle und Kneipen!" Die Chassidim waren erstaunt: "Wie ist das möglich? Sie waren doch in derselben Stadt!" Daraufhin sprach der Rabbi: "Jeder fand, was er suchte."

Ich erinnerte mich an diese Anekdote, als ich Anat Peris Artikel "Wenn Avnery anklagt, wird Deutschland gereinigt" in der /Atfretz-Kolumne vom 13.8. 2002 las. Laut Frau Peri, von der Zeitung als "Historikerin" bezeichnet, ist ganz Deutschland antisemitisch und beschäftigt sich mit "der Dämonisierung der Naziopfer ... eine Strategie, für die die Presse, die Literatur und sogar staatliche Institutionen in Deutschland mobilisiert werden". Sie alle wollen beweisen, "dass zwischen den Nazis und ihren Opfern kein Unterschied besteht". Zu diesem Zweck beschäftigen die Deutschen einen niederträchtigen jüdischen Kollaborateur. Und wer ist es? Sie haben es erraten: Ich.

Nun, was kann man tun? Ich und viele andere haben ein anderes Deutschland kennen gelernt. Ein Deutschland, dessen beste Jugend sich mit dem Holocaust beschäftigt; in dem sich ein großer Teil des Kulturlebens auf allen Gebieten mit diesem Thema auseinander setzt - mehr als in Israel - und in dem Gedenktafein, Denkmäler und jüdische Friedhöfe in vielen Fällen von Christen gepflegt werden. Ein Deutschland, in dem Menschen vor dem wunderbaren Jüdischen Museum in Berlin Schlange stehen, das zum großen Teil mit öffentlichen deutschen Geldern erbaut wurde. Ein Deutschland, in dem beinahe alle Zeitungen über einen Roman hergefallen sind, in dem der Autor eine hässliche Abrechnung mit einem jüdischen Kritiker geführt

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