Das 20. Jahrhundert hat mehrere Utopien gesehen, die schreckliches Unheil angerichtet haben. Die kommunistische Vision zum Beispiel gründete sich auf der Vorstellung, dass es einen vollkommenen Menschen gebe oder dass Menschen vollkommen werden können. Das widersprach der Realität vom unvollkommenen Menschen. Der deutsche postkommunistische Politiker Gregor Gysi sagte mir einmal: "Wir versuchten, das perfekte System über unvollkommene Menschen zu setzen. Es ging nicht - also versuchten wir es mit Gewalt." So kam ein Terrorsystem zustände, und Millionen - von der Ukraine bis Kambodscha wurden ermordet.
Bezüglich eines binationalen Staates in Palästina/Israel muss man drei wichtige Fragen stellen:
1. Werden beide Seiten diese Lösung akzeptieren?
2. Kann ein binationaler Staat funktionieren?
3. Wird er den Konflikt beenden?
Meine Antwort auf alle drei Fragen ist ein uneingeschränktes "Nein".
Es gibt keine Chance, dass die gegenwärtige oder die folgende israelische Post-Holocaust-Generation diese Lösung akzeptiert, die absolut mit dem Mythos und Ethos Israels kollidiert. Das Ziel der Gründer des Staates Israel war, dass die Juden oder ein Teil von ihnen - endlich ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen konnten. Ein binationaler Staat bedeutet, dieses Ziel aufzugeben und den Staat Israel praktisch zu demontieren. Die Juden würden zu der traumatischen Erfahrung zurückkehren, ein Volk ohne eigenen Staat zu sein, mit all den Nachteilen, die das mit sich bringt - und das nicht als Ergebnis einer vernichtenden militärischen Niederlage, sondern aus freier Wahl. Das ist nicht sehr wahrscheinlich.
Und wie steht es damit auf palästinensischer Seite? Einige Palästinenser reden tatsächlich sehnsüchtig von einem binationalen Staat. Aber ich glaube, dass das wenigstens für einige von ihnen nur ein Kodewort für die Eliminierung des Staates Israel