soll ich sagen - so, als wäre man in Israel Maoist" (in: Koppel 2000, S. 134), erinnerte sich Avnery an seine Jugend.
Ein seelischer Zufluchtsort war für ihn der Wald; Waldhausen hieß der Stadtteil Hannovers, wo er aufwuchs. Er unternahm stundenlange Fahrradtouren und Spaziergänge. Diese frühen, verdrängten Kindheitserinnerungen wurden ihm Jahrzehnte später bei seinen Besuchen in Deutschland wieder bewusst, brachten ihm wieder "eine vergessene oder unbewusste Heimat" (Avnery 1998, S. 24) zurück; so zum Beispiel die grüne Farbe des Waldes, dessen Geruch es in Israel nicht gibt.
Als Helmut Ostermann - der sich mit Erreichen seines 18. Lebensjahres in Israel in Uri Avnery umbenannte - in das zum ganz überwiegenden Teil katholische Kaiserin-Auguste-VictoriaGymnasium in Hannover wechselte, machte er eine BekanntSchaft, die sich Jahrzehnte später als bedeutsam erweisen sollte: Ein gewisser Rudolf Augstein war sein Banknachbar. 35 Jahre später sollte dieser ihm anbieten, gelegentlich im Spiegel über Israel zu schreiben; gut 60 Jahre später verfasste Augstein ein Vorwort zu einem Interviewband mit Avnery, in dem er die Gemeinsamkeiten in ihrem publizistischen Wirken sowie in ihrer Biografie hervorhob (Augstein 1995). Nach Augsteins Tod im Dezember 2002 verfasste Avnery für den Spiegel den in diesem Buch abgedruckten Nachruf.
Der Alltag des Jungen wurde zunehmend durch den erstarkenden Nationalsozialismus geprägt. Die Aufmärsche der Nazis sowie der Kommunisten prägten seine kindliche Weltwahrnehmung, bildeten, neben der Musik Bachs, zunehmend das Hauptthema beim Mittagstisch. Das Politische war ein selbstverständlicher, existenziell bedeutsamer Bestandteil des Lebens.
1933, Helmut war gerade ins Gymnasium gewechselt, wurden dort regelmäßig alle Schüler in der Aula versammelt, um alte deutsche Waffensiege zu feiern. Helmut war der einzige jüdische Schüler. Ein Ereignis prägte sich ihm tief ein. 35 Jahre später erinnert er sich der Szene:
"Einmal [...] stand ich allein inmitten von tausend deutschen Jungen, die das Horst-Wessel-Lied, die blutrünstige Nazihymne,