sangen. Ich sang nicht mit und hob auch nicht die Hand zum Nazigruß wie die anderen. Hinterher trat eine Gruppe meiner Klassenkameraden zu mir und sagte, wenn ich noch einmal beim Absingen der Hymne des neuen Deutschland den Arm nicht höbe, 'würden sie es mir zeigen'." (Avnery 1969, S. 9)
Dennoch erinnert sich Avnery mit Wohlwollen eines katholisehen Pfarrers, welcher ihm auch nach der "Machtergreifung" seine Unterstützung versicherte.
Zu den angedrohten Prügeln durch seine rassistisch aufgehetzten Mitschüler kam es nicht. Die zionistischen Überzeugungen seines Vaters schärften dessen Wahrnehmung der existenziellen, scheinbar noch unwirklichen Gefahr. Nach einer antisemitischen Drohung, die ihm im Frühjahr 1933 vor Gericht zugetragen wurde, beantragte er bei der Polizeibehörde von Hannover seine Auswanderung und verkaufte seinen Besitz. Eine Woche nach dem Zwischenfall in der Schule emigrierte die Familie auf Schleichwegen über Frankreich nach Palästina. Ihre Verwandten versuchten sie noch davon abzuhalten: "Du bist völlig verrückt; euch droht keine Gefahr", wollten sie den Vater überzeugen. Sie selbst blieben - und wurden alle von den Nazis ermordet. Auf einem Gedenkstein in Hannover sind ihre Namen verzeichnet.
Im November 1933 fuhren die Ostermanns mit der "Sphynx" von Marseille nach Palästina und landeten im Hafen von Jaffa. Der zehnjährige Helmut war sehr begeistert, Deutschland verlassen und in sein geliebt-fantasiertes Palästina reisen zu können. Die Szene, in der sie in den Hafen Jaffas einliefen, war von einer eindrucksvollen Symbolik, deren sich viele Flüchtlinge der damaligen Zeit erinnern - so auch Avnery:
"Eines Morgens, kurz nach Sonnenaufgang, standen wir alle an Deck und sahen am Horizont einen braunen Streifen, der lang¬