"... Man wechselt nicht nur Worte, man tauscht Blicke aus, unfreiwilliges Mienenspiel, unbewusste Gesten. Man überredet und wird überredet auf vielfache Weise, bewusst und unbewusst. [...] So ist es zwischen Freunden und Liebenden. So ist es noch mehr zwischen Feinden. Man schließt nicht anders Frieden als mit Feinden, und man schließt nicht Frieden mit Feinden, die man verabscheut oder als unmenschliche Monster betrachtet. Nach vier Generationen des Kampfes zwischen Juden und Palästinensern werden die Feinde - die PLO und ihre Führer - von jüdisehen Israelis als Dämonen angesehen, als Ungeheuer. Genau so sehen die Palästinenser die verhassten Zionisten nicht als normale Menschen mit ihren alltäglichen Floffnungen und Sorgen, sondern als die neuen Nazis, außerhalb der Grenzen der Menschlichkeit. Unser Dialog hat dazu beigetragen, diese diabolischen Bilder zu erschüttern. Er hat jede Seite in den Augen der anderen entdämonisiert." (Avnery 1988, S. 405)
Avnery ließ sich trotz aller Rückschläge nicht entmutigen. 1993 folgte die Gründung der Friedensgruppe Gush Shalom (Friedensblock), einer progressiv eingestellten Gruppierung innerhalb des breiten Spektrums der israelischen Friedensbewegung.8 Neben gemeinsamen Demonstrationen von Israelis und Palästinensern gegen militärische Übergriffe sowie gegen die israelisehen Siedlungen in den besetzten Gebieten hat Gush Shalom auch detaillierte Pläne ausgearbeitet und publiziert, wie die verschiedenen komplexen Streitfragen zwischen Israelis und Palästinensern rechtlich und politisch geklärt werden können.
1991, zu Zeiten des Golfkriegs, publizierte Avnery auf Deutsch den leicht zu lesenden, informativen Band Wir tragen das NessosGewand. Israel und der Frieden im Nahen Osten.
Den so genannten Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern sieht Avnery in den Jahren nach dem Oslo-Abkommen von 1993 vor allem an vier Fragenkomplexen gescheitert, die weitgehend aus den Osloer Verhandlungen ausgeklammert worden sind: Die Frage des Rückkehrrechts der 1948 geflohenen beziehungsweise vertriebenen Palästinenser, das Siedlungsproblem, die Jerusalemfrage und die Frage nach den künf¬