1995 erhielt Avnery den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück, 1996 die Ehrenbürgerschaft der israelischarabischen Ortschaft Kafr Kassem, in Anerkennung seines Anteils an der Aufdeckung eines Massakers (im Oktober 1956, bei dem 48 Menschen ums Leben kamen), 1997 (zusammen mit Gush Shalom) den Aachener Friedenspreis, 1998 den Wiener Bruno-Kreisky-Preis für Verdienste um die Menschenrechte, den Niedersachsenpreis für hervorragende publizistische Leistungen sowie den Palästinensischen Preis für Menschenrechte, 2001 den renommierten Alternativen Nobelpreis (zusammen mit seiner Frau Rachel sowie Gush Shalom), 2002 die Ehrenmitgliedschaft in der Erich-Maria-Remarque-Gesellschaft in Osnabrück und den Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg, und 2003 schließlich wurde ihm in Köln durch Fritz Pleitgen der LewKopelew-Preis verliehen.
Diese augenfällige Diskrepanz der politischen Wertschätzung, die Avnery unter Israelis und Palästinensern einerseits und in Europa andererseits genießt, legt die Frage nach den Quellen seines offenkundig unversiegbaren Optimismus nahe. Flierzu könnte man diverse Vermutungen und Erklärungsansätze bemühen. Ich will in diesem Beitrag einen biografisch-psychologischen Verstehenszugang versuchen. Dass dieser Zugang durchaus im Einklang mit Uri Avnerys eigenen publizierten Bemühungen steht, glaube ich zumindest zwei Umständen entnehmen zu können: Ich habe vorhergehend die Passage zitiert, in der Avnery im Interview mit Koppel an den "ansteckenden Optimismus", an den Glauben seines Vaters an die Menschen erinnert, wodurch dieser bei seinen Mitmenschen in Israel so beliebt wurde. Avnery schließt hier eine psychologische Deutung an, wenn er über seinen Vater ausführt: "In Deutschland war er immer ziemlich krank gewesen - er hatte Nierensteine und solche Sachen, die ihn sehr quälten, aber hier im Lande war das alles sofort weg. Vielleicht vom Fahrradfahren, das war seine Theorie. Aber vielleicht war es auch psychosomatisch." (In: Koppel 2000, S. 138)