Wir bleiben liegen. Um uns ist absolute Ruhe. Meine erste AnSpannung ist verflogen und ich kann wieder denken. Das ist unsere Feuertaufe. Der Zug war in Ordnung, sage ich zu mir. Also wirklich, der Zug war völlig in Ordnung. Ich wiederhole diesen Satz immer wieder. Er beruhigt mich.

"Zug Nummer eins zurück!"

Ich greife nach dem Spaten, dem Gewehr, den Decken und

robbe rückwärts. Dort hat sich der Zug schon um den Toten auf der Bahre versammelt. Unser Befehl lautet, ihn nach Naan zurückzubringen.

Die nächsten zwei Stunden werde ich immer in Erinnerung

behalten, obwohl die Ereignisse etwas verworren sind. In die Geschichte der Kompanie sind sie als der "Todesmarsch" eingegangen.

Ein Toter wiegt wesentlich mehr als ein Lebender. Wir tragen die Bahre zusätzlich zu unseren Waffen und Ausrüstung. Wir schreiten, stolpern, rutschen aus und können an nichts denken. Wir haben nur einen Wunsch: die verfluchte Bahre zusammen mit den Waffen und der Ausrüstung wegzuwerfen, uns auf den feuchten Boden zu legen und zu schlafen, schlafen, schlafen.

Wir sind allein. Ein Trupp Infanterie-Soldaten und ein Toter. Jeder Schritt kann auch uns den Tod bringen. Hinter jedem Busch kann der Feind warten - oder ein Hinterhalt unserer eigenen Leute, die ebenfalls das Feuer auf uns eröffnen könnten. Uns ist das fast egal. Vor lauter Müdigkeit und Anspannung haben wir auch den Uberlebenswillen verloren. Selbst der Tod scheint uns nicht mehr zu schrecken.

Noch weiß ich nicht, wer der Tote ist. Während ich den vorderen Teil der Bahre trage, rutscht die Decke von seinem Kopf. Das Gesicht kenne ich. Das ist doch Jitzchak Heller, der Abteilungschef, den ich heute Morgen kennen lernte. Die Decke rutscht weiter und ich sehe eine fast weiße Hose - und jetzt entsinne ich mich der Einzelheiten. Das ist doch der Mann, mit dem ich Augenkontakt halten sollte.

Im Laufe der Aktion kam ich vor ihm zu laufen statt zu seiner Linken. Wäre ich vorschriftsmäßig gegangen, wäre ich in die Feuerlinie der feindlichen Waffen geraten. Das ist die Beliebigkeit des Krieges, die den einen rettet und den anderen ganz zufällig tötet.

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